StadtGründungsBenno

Es ist ein Weilchen her, dass ich mich hier verbreitert habe.
Entschuldigung.
Es gab zu viel zu tun.
Ich habe einen weiteren Krimi veröffentlicht (Mach dir kein Bild) und ein Rom Führer für junge Leute (Viva Roma!) wollte rechtzeitig vor der Reisesaison auf den Weg gebracht werden. Und dann war da noch die DSGVO …

Stadtgründungsfest München 2018 – © Thomas Michael Glaw

Gestern jedoch war ich auf dem Münchner Stadtgründungsfest. Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht das wievielte es war, aber es war, glauben Sie mir, eine Farce. Seit einiger Zeit feiert die katholische Kirche das Benno Fest, das Fest des Patrons der Stadt München, am selben Tag. Das war der eigentliche Grund, warum wir uns in die Stadt aufgemacht hatten. Um Freunde zu treffen.

Die Rolltreppe am Odeonsplatz spuckte einen aus dem Untergrund in ein unglaublichen Gewurl von Menschen – das ist bei derartigen Events relativ normal. Als ich jedoch die Reihen der Buden durchschritt, begann ich mich zu fragen: was soll das alles, oder vielmehr: was hat das alles mit München zu tun?

Stadtgründungsfest München 2018 – © Thomas Michael Glaw

Selbst wenn man diesem inszenierten Handwerkermarkt noch etwas abgewinnen konnte, spätestens beim Gang durch die Theatinerstraße wurde klar, dass es hier, egal was Oberbürgermeister Reiter salbungsvoll verkündete, nur um eines ging: Kommerz.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin seit dreißig Jahren selbstständig. Ich weiß durchaus, dass man Geld verdienen muss. Aber muss man an so einem Tag wirklich nur Tand verticken? Könnte man nicht Organisationen das Feld bereiten, die dabei sind, einem besseren München den Weg zu bereiten? Interessante Ideen haben? Neues vorstellen wollen?

Handgeschöpftes Briefpapier? Goldschmiede? Alte Bilderrahmen? Puppen?

Also bitte.

Auch die katholische Kirche hat sich keinen wirklichen Gefallen mit der Zusammenlegung beider Festlichkeiten getan. Das Fest am Odeonsplatz zu begehen hatte etwas. Zwar waren die Stände auch früher schon nicht sonderlich innovativ (Tipp: Man könnte die Ausstattung vom Katholikentag zum Teil recyclen …), aber das Fest hatte durchaus etwas familiäres.

Na ja.
Bei einem interkulturellen Training letzten Donnerstag habe ich – wie immer – verkündet, dass die Deutschen viel zu viel kritisieren und jetzt bin ich selbst in diese Falle getappt.

Sei’s drum.
Ab und zu muss man auch mal granteln können 🙂

Aber dann war da doch noch etwas.
Mitten in der Fußgängerzone gab es Stellwände mit der Aufschrift „Bevor ich sterbe“ bzw. auf Englisch „Before I die“., die permanent von alten wie jungen Menschen unterschiedlichster Herkunft umlagert waren.

Stadtgründungsfest München 2018 – © Thomas Michael Glaw

Das, was sich die Menschen vor ihrem Tod noch erhofften, schwankte zwischen berührend und naiv, und doch ließ es die meisten für einen Moment oder länger verharren. Nachdenklich werden. Auch wenn man das natürlich mit dem Handy festhalten musste. Man sollte in dem unglaublich schnellen städtischen Leben mehr solcher Momente haben. Hier gibt es ein weites Feld, um  Menschen zum Nachdenken über ihr Leben zu motivieren.

Und sonst?

Da gab es noch einen Pudel.
Allerdings ohne großartigen Kern, jedoch als gern genutzten Hintergrund für Selfies.

Stadtgründungsfest München 2018 – © Thomas Michael Glaw

Die Ausstellung in der Hypo Kunsthalle zu Faust in der Kunst ist allerdings durchaus sehenswert. Ein Nachdenken über das faustische in unserem Leben ist gerade in diesen Zeiten … ach lassen wir’s. Macht ja doch keiner 🙂

 

 

 

 

Granada

Warum fährt man im Winter nach Granada? Eine berechtigte Frage. Vielleicht, weil die Orangen immer noch an den Bäumen hängen, vielleicht, um verwitterte Granatäpfel an Bäumen zu fotografieren, vielleicht, weil man zu dieser Zeit noch nie dort war .

Aber alles zu seiner Zeit. Ein bemerkenswerter Samstag begann mit einem älteren Ehepaar am Münchner Flughafen, das sich verzweifelte bemühte, einen knapp zwei Kilo schweren Schmuck- oder Schminkkoffer (der Herr mag wissen, was sich darin befand) als Gepäck aufzugeben. Der Automat weigerte sich natürlich beständig, ohne weitere Kommentare abzugeben. Irgendwann war es den beiden dann zu dumm, zumal auch kein hilfreicher Geist in den gelb – blauen Farben der Kranichlinie auftauchte, die Passagiere hinter ihnen deutlich hörbar mit den Füßen scharrten und es ihnen „zu bunt wurde“. Allgemeines Aufatmen.

Weiter ging es mit den Damen und Herren der Sicherheitskontrolle. Als Fotograf mit reichlich Equipment gesegnet ist man ja so einiges gewöhnt, aber dass ich dieses mal nicht auch noch die Filter abschrauben musste um den Zwischenraum auf Sprengstoff zu testen, war auch schon alles. München (und Münster – Osnabrück, das muss an dieser Stelle schon angemerkt werden) sind, was die GRÜNDLICHE Überprüfung von technischer Ausrüstung angeht einsame Spitze. Rom, Paris, Edinburgh, Amsterdam, Madrid … eeeeentspannt. Die haben anscheinend begriffen, dass es nicht die Fotografen dieser Welt sind, die das nächste Flugzeug in die Luft jagen werden.

In der Mancha - © Thomas Michael Glaw 2016

In der Mancha – © Thomas Michael Glaw 2016

Von Madrid aus geht es dann etwas über vier Stunden durch überwiegend menschenleere Gegend Richtung Südwesten. Leider hatten wir nicht genug Zeit, um für aussagekräftige Landschaftsaufnahmen stehenzubleiben, jedem/jeder Interessierten sei die Gegend aber wärmsten empfohlen; ich werde bei nächster Gelegenheit einmal zurückkommen. Wilde Natur, kontrastiert mit streng geometrisch organisierten Olivenhainen, Bergrücken, die fast organisch wirken und Farbspiele zwischen Ocker, fahlem Gelb und Grautönen, die eine Herausforderung darstellen.

Als wir uns in Granada endlich zu einem Hotel nahe des Zentrums mit bezahlbaren Preisen durchgefummelt hatten, hätte uns ein netter Aufkleber im Lift eine Warnung sein sollen. Die Firma OTIS wies mit freundlichen Weihnachtsgrüßen darauf hin, dass der Aufzug in der Nacht vom 24. Dezember für den Papá Noel und in der Nacht auf den 5. Januar für die Reyes Magos, also die heiligen drei Könige, die in Spanien noch einmal Geschenke bringen, reserviert sei. In Deutschland hätten sie sich das niemals getraut, denn es hätte Kritik gehagelt von den Verfechtern einer christenfreien Weihnacht, ebenso wie von der katholischen Kirche. Spanien ist, in vielerlei Hinsicht, ein entspanntes Land. Politisch vielleicht nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Weinachten in Granada - © Thoma Michael Glaw 2016

Weihnachten in Granada – © Thoma Michael Glaw 2016

Das dicke Ende kam beim abendlichen Besuch in der Innenstadt. Nach Aufenthalten in Madrid war uns schon klar, dass der Spanier erst gegen acht Uhr abends aufwacht und dann in Massen ins Zentrum strebt. Das ist schön, damit kann man leben. Wir hatten nur übersehen, dass es ja auch noch um das Einkaufen von Geschenken geht. Da können zehnmal am 6. Januar die heiligen drei Könige kommen (Kinder nicht weiterlesen), die Geschenke organisieren immer noch Mama, Papa, Oma, Opa, Onkel, Tante, Bruder, Schwester, Cousin und Cousine – üblicherweise im Familienverbund, der dann auch schon einmal laut aufschreiend vor einem wunderschön dekorierten Schaufenster stehenbleibt. Auffahrunfälle der harmloseren Art sind also vorprogrammiert.

Weihnachten in Granada - © Thomas Michael Glaw 2016

Weihnachten in Granada – © Thomas Michael Glaw 2016

Bemerkenswert ist der Lärmvorhang, der über dem ganzen hängt. Wir sind durchaus römische Verhältnisse gewöhnt, aber die hier vorhandene Kakophonie aller Tonlagen übertrifft, zumindest für mein Dafürhalten, alles bisher Gehörte. Geht man dann irgendwann gegen 21 Uhr 30 in die Nähe irgendwelcher Lokale, um vielleicht doch noch einen Happen zu essen, wird das ganze eher noch schlimmer – und die Kinder zunehmend ungehaltener.

Verschärft wird das ganz noch durch die ubiquitäre Nutzung von Minipanzern, die als Kinderwagen getarnt sind, aber lässig den Umfang eines Kleinwagens, mit der Einstellung der Besitzerin (oder des Besitzers) am Steuer eines Panzers zu sitzen, kombinieren. Irgendwo in dem Teil sitzt unter einer Plastikplane (es regnet) ein schreiendes Kind, behängt ist das Ganze mit diversen Schirmen, Taschen und allen weiteren Notwendigkeiten – von diversen Weihnachtseinkäufen ganz zu schweigen.

Weihnachten in Granada bei Tag betrachtet - © Thomas Michael Glaw 2016

Weihnachten in Granada bei Tag betrachtet – © Thomas Michael Glaw 2016

Warum fährt man also zu dieser Zeit nach Granada? Vielleicht, um einer Illusion nachzuhängen, vielleicht, um Federico Garcia Lorca auf einer feuchten Parkbank zu lesen, vielleicht, um eine paar Bilder vom – nach unserer Vorstellung – nachweihnachtlichen Granada zu machen. Sicher, um am nächsten Tag (wieder im Nieselregen) die Alhambra zu besuchen. Davon mehr im nächsten Blog.

 

Pariser Geschichten (2)

Natürlich kann man nicht durch Paris gehen, ohne über die vielfältigen architektonischen Versuche unterschiedlicher Epochen zu stolpern.

Moderne Gestaltung scheint geraden Linien zu huldigen, sei es bei Gebäuden, bei Flüssen, bei Kanälen. In Paris scheinen die Versuche moderner Architektur immer wieder Relikten vergangener Tage zu begegnen. Die Geradlinigkeit begegnet anders geformten Linien, die oft viel mehr dem menschlichen Leben entsprechen – denn wessen Leben verläuft schon in geraden Bahnen.

Opernbuchhandlung Paris - © Thomas Michael Glaw

Opernbuchhandlung Paris – © Thomas Michael Glaw

Die Schlichtheit des Geraden zieht auch mich immer wieder an; Linien, die ihre Fortsetzung im Unendlichen erfahren. Linien, denen allerdings etwas fehlt, etwas das Friedrich Schiller im 15. Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen, als ein zentrales Element des menschlichen überhaupt beschreibt: das Spiel.

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

Das Spielerische macht unseren Tag, unsere Nächte aus. Wenn wir nicht spielen, leben wir nicht. Selbst das dröge Befolgen von Regeln, das man in diesem Land, in dem ich meistens lebe, so liebt, ist auch nur ein Befolgen von Spielregeln. Nur dass Deutsche diese eben besonders ernst nehmen.

Noix de Coco / Rue de Lancry - © Thomas Michael Glaw

Noix de Coco / Rue de Lancry – © Thomas Michael Glaw

In Paris gibt es ein Museum, wo man das Spielerische besonders schön betrachten kann, auch wenn die Mehrzahl der Besucher (das bitte ich jetzt inklusiv zu verstehen) es eher als Spielplatz ihrer Kameras und Mobiltelefone betrachtet. Diesem Spielplatz möchte ich mich aber in meinem dritten Beitrag widmen.

Spielerische Linien in der Architektur.
Ich finde sie immer wieder in Läden und in den Menschen in, vor und um diese Läden.

Wenn man sich einmal jenseits der, vom Einheitsbrei international tätiger Konzerne geprägten, Fassaden, die leider in München, ebenso wie im kommerziellen und touristischen Zentrum von Paris, die Landschaft prägen, umschaut, so kann man Erstaunliches finden.

Antoine et Lili / Quai de Valmy - © Thomas Michael Glaw

Antoine et Lili / Quai de Valmy – © Thomas Michael Glaw

Farben und Formen, die Menschen ansprechen. Kunden und Besitzer, die miteinander noch wirklich sprechen und nicht nur in einen marktorientierten Dialog eintreten. Menschen, die nicht in Form und Farbe dem entsprechen, was die entsprechenden Hochglanzjournale von uns erwarten.

Ich verfolge das Thema Läden und Ladenfassaden seit langem. Wo Menschen kommen und gehen entstehen Geschichten, die es wert sind aufgezeichnet zu werden.

Menschlicher Umgang miteinander ist immer auch ein Spiel. Ein Spiel mit vielen Varianten und Variablen, ein wenig wie das Spiel mit den Linien: endliche und unendliche, gerade und gekrümmte.

Im Village St. Paul - © Thomas Michael Glaw

Im Village St. Paul – © Thomas Michael Glaw

Paris ist, ähnlich wie übrigens auch Köln, eine wahre Fundgrube für kreative Ideen, für Menschen, mit guten, wenn auch bisweilen ein wenig schrägen Ideen – etwas, dass mir im kommerziell so durchgestylten München immer mehr fehlt.

Ich freue mich auf die weitere Arbeit mit Fassaden und den Menschen, die sie beleben.

Kreuzviertelfest

Es gibt Feste, die sich selbst im Weg stehen.
Es gibt Feste, die im Mittelpunkt stehen, ohne einen zu haben.
Es gibt Feste, die jemand in den Mittelpunkt stellen, der lieber im Schatten bleiben sollte.

Und es gibt Feste, die sind.
Die stehen, trotz all der bewegten und sich bewegenden Menschen.
Ein wenig wie der Turm der Kirche im Zentrum dieses Festes, auf dem seit neuestem zu lesen steht: Ja, ich bin da.

Kreuzkirche in Münster - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzkirche in Münster – Copyright Thomas Michael Glaw

Das Kreuzviertelfest.
Im Herzen von Münster.
Und kommen Sie mir nicht mit der Behauptung, es läge nicht wirklich im Zentrum. Wissen Sie, wo anatomisch das Herz liegt? Na also.

Kreuzviertelfest - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertelfest – Copyright Thomas Michael Glaw

Ich mag es genauso geschrieben.
Kreuzviertel.
X4tel, wie es die Organisatoren des Festes gerne nennen, mag cool sein. Hip. Eine wunderbare Ausgeburt einer marketing-orientierten Hirnwindung. Aber –

Kreuzviertelfest - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertelfest – Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertel.

Das passt zu den Menschen, die ich dort sah, die den Platz um die Kirche mit Leben füllten.
Leben in Fülle.
Dieses Leben brauchen wir wieder in unseren Städten. Aus diesem Leben entsteht die allseits geforderte Willkommenskultur ebenso wie die Kultur jenseits des Mainstreams.
Jenseits kurzlebiger Marketingideen.

Städtisches Leben.
Leben, das durchaus noch frei macht.
Im Schatten von Kirchen, die Freiheit zu glauben und zu leben verkündigen.

Kreuzkirche - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzkirche – Copyright Thomas Michael Glaw

Ja, ich bin da.
Hier im Kreuzviertel scheint das stimmig.

An- und Verkauf

Der Plan war harmlos genug. Ein zweiter Gang über die Jakobidult – eine der wenigen „events“, um es Neudeutsch zu formulieren, an denen München noch ein wenig des alten Charme ausstrahlt, der es in den letzten hundert Jahren geprägt hat. Ich war schon letztes Wochenende da gewesen. Die Dult ist eine Mischung aus Trödelmarkt, überflüssiger Novitäten für den Haushalt – verkauft von beeindruckenden Gestalten – und Jahrmarkt im herkömmlichen Sinne. Besonders bekömmlich ist dort das Augustiner Bier und der Steckerlfisch.

Auer Jakobidult - © Thomas Michael Glaw

Auer Jakobidult – © Thomas Michael Glaw

Ich suche den Platz üblicherweise auf, um Menschen zu studieren, um zu fotografieren und um … ja um das alte München mit all seinen Typen, seiner Vielfältigkeit, seinem Witz, seiner Hinterlist …. Ich weiß, all das klingt ein wenig verstiegen, aber glauben Sie mir, wenn Sie offenen Auges über die Auer Dult laufen begegnet ihnen all das.

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Auer Jacobidult München – © Thomas Michael GLaw

Heute musste ich allerdings ein Kleines Hindernis überwinden. War es nur mangelnder Orientierungssinn oder doch der Cognac zum Espresso nach einem wunderbarem Pollo all Cacciatore … ich stieg jedenfalls eine Station zu früh aus, sprich bevor sich die U Bahn auf ihren Weg das Isarhochufer hinunter und unter dem Fluss hindurch zum Kolumbusplatz begibt. Na ja, dachte ich mir, kein Problem. Ein kleiner Spazierganz tut dir gut.

Von wegen. Fünf in rascher Folge vorbeiziehende Polizeiwagen hätten mich warnen sollen. Wenn man diesen kleinen Umweg nimmt kommt man in Sichtweite des altehrwürdigen Stadions an der Grünwalder Strasse vorbei, der Heimat der Löwen. Für nicht eingeweihte: der Fussballclub München 1860. Anscheinend hatten die blauen Amateure (1860) gegen die roten Amateure (Bayern) verloren. Das Polizeiaufgebot war beeindruckend, die Zahl der fetten, glatzköpfigen Fans ebenso. Mein reflexartiger Griff zu Kamera wurde mit den Worten „Schaug blos, des weiterkimmst mit deiner Kamera“ quittiert. Angst? Bewusstsein des eigenen Fehlverhaltens? Ein kurzer Check im Web belegte, dass bereits mehr als 1000 Beamte im Einsatz waren. Glaube ich unbesehen. Toller Sport Fußball. Vor allem aber: tolle Fans. Erinnert sich eigentlich noch jemand an Sammy Drechsels Jugendbuch „Elf Freunde sollt ihr sein“? Ich weiß; das war gestern,

Auer Jocobidult München - © Thomas Michael Glaw

Auer Jocobisult – © Thomas Michael Glaw

Letztendlich habe ich es dann doch noch auf die Auer Dult geschafft und neben einigen Krimis das Poesiealbum einer jungen Frau erstanden (für fünf Euro) die zwischen 1912 und 1923 in Leipzig, Berlin, Neufchatel und Rom lebte. Danach gab es dann noch eine anhörbare Predigt im Abendgottesdienst im Dom,

Was will man mehr von einem mäßig sonnigen Sonntag Anfang August 🙂

Masken

Wenn man noch nie zu „Fastelovend“, sprich zu Karneval in Köln war, hat man etwas verpasst. Nein, wirklich. Es ist mehr als nur eine Stadt im kollektiven Wahn. Menschen verkleiden sich um aus der Normalität auszubrechen. Wir tun das alle, täglich, allerdings nicht mit dem Ziel, der Normalität ein Schnäppchen zu schlagen, sondern um jene merkwürdige Normalität des beginnenden 21. Jahrhunderts zu leben, in der BWL Absolventen dunkle, eng geschnittene Anzüge tragen, Damen „Power Dresses“, und diejenigen, die ganz oben angekommen sind, Brioni.

Kölner "Jeck" am Rosenmontagszug

Kölner Jeck

Es war sehr interessant Köln in Verkleidung zu erleben, eine Stadt, die ich in den vergangenen Jahren als eine der entspanntesten Deutschlands erfahren habe. Die Maske wird Teil der Stadt; manche Kölner verwandeln sich nur mit wenigen Strichen billiger Schminke, anderer wiederum verwenden ein geradezu unglaubliches Maß an Fantasie, Kreativität und Energie darauf … ganz anders auszusehen.

Kölner "Jeckin" am Rosenmontagszug

Karneval in Köln

Ich hab bewusst den Titel „Masken“ nicht „Narren“ oder gar „Jecken“ gewählt. Der Begriff ist mir zu vieldeutig; war es im Mittelalter ein auffällig gekleideter Spaßmacher, am königlichen Hof oft der einzige, der dem Monarchen die Wahrheit sagen durfte, so ist in unserem heutigen Sprachgebrauch der Narr oft unreif, tollpatschig oder schlicht dumm. Die Kölner nehmen für ihren „Jecken“ eine ganz eigene Definition in Anspruch, die des nicht vereinsmäßig gebundenen Karnevalisten. Auf den Straßen der alten Domstadt waren viele davon unterwegs …

Kölner Jeck am Rosenmontagszug

Kölner „Jeck“

Es ist wohl oft auch jener wahre „Jeck“, der sich hinter den Masken verbirgt. Wenn man ins Gespräch kommt, fast immer von schnellem Wortwitz, oft mit hintergründigen Humor begabt. „Häuptling Schnelle Zunge“ nannten wir vor vielen Jahren einen befreundeten Kölner hinter vorgehaltener Hand, der auch stets zur „fünften Jahreszeit“ wieder in seine Geburtsstadt eilen musste.
Als Augenmensch waren es die Masken, die Kostüme, das Lachen der „Jecken“, sprich vor allem der Teilnehmer an den Schull und Vedeelszöch, an den Vorgruppen zum „Zoch“ , dem Rosenmontagszug, die mich faszinierten. Vielleicht komme ich nächste Jahr wieder mit Akkreditierung (um mich freier bewegen zu können) und mit ein wenig weniger Kölsch (um konzentrierter arbeiten zu können).
Köln zur Fastelovend ist mehr als ein Erlebnis.

November – Auszeit

Kopenhagen – ein Mann sitzt auf einer Bank vor einer Mauer. Er zieht genüsslich an seiner Zigarette – ein Fahrrad steht neben ihm. Gedanklich scheint er irgendwo zu sein – dem Alltag, dem Umfeld einen Moment entzogen.

Wenn ich ihn betrachte, ist es vor allem die Zigarette, die darauf hindeutet: „Ich habe Pause.“
Schon merkwürdig: Rauchern wird diese Auszeit viel eher zugestanden, oder sie schaffen es wirklich, bei der Zigarettenpause abzuschalten. Es sind oft die Raucherecken, in denen ich wirklich andere Gespräche gehört habe, als es der Kontext vorgegeben hätte.

Kopenhagen - Auszeit

Kopenhagen – Auszeit

Während man bei einem Kaffee doch weiter diskutiert oder nach Lösungen für ein Problem sucht, befindet sich die Raucherecke am nächsten Reiseziel, in der Hängematte oder beim Cocktail und knüpft neue Bekanntschaften – ein weiterer positiver Effekt der Nichtraucherverordnung, da man in den Raucherecken auf andere Raucher trifft.

Im Vergleich zu den Kaffeetrinkern, die dies ja im Büro tun können, wo es oft nebenher passiert, sorgen das Nikotinbedürfnis und die Nichtraucherverordnung dafür, dass Raucher öfters man abschalten, Pause machen und sich durch den Weg nach draußen Abstand zum Schreibtisch verschaffen. Als Nichtraucher bedarf es da eher ein eigenes „Darauf-achten“ und bewusstes „sich eine Auszeit nehmen“.

Eine Bank, an der ich vorbei komme, eine Mauer, ein Stein, ein Stuhl, die zum sitzen einlädt – gönnen wir uns öfters mal eine Auszeit, ein paar Minuten, um den Gedanken freien Lauf zu lassen, ohne den nächsten Schritt zu planen, Probleme zu wälzen, sondern einfach mal für einen Moment dem Alltag zu entfliehen – mit oder ohne Zigarette.

Dies ist wieder ein Gastbeitrag von Dorothea Elsner zu unserem gemeinsamen Kalender 2014 – den Kalender 2015 werden wir hier demnächst vorstellen. Wer sich über meine Stille gewundert hat: ich habe eine Erzählung fertig geschrieben, die ab 1. Dezember quasi als Adventskalender hier auf WordPress erscheinen wird. Wer Lust hat mit Benedict Schönheit einem kriminalistischen Problem in der Vorweihnachtszeit nachzugehen, der sei auf https://benedictschoenheit.wordpress.com/author/thomasmichaelglaw/ verwiesen. Viel Spaß und einen guten ersten Glühwein 🙂

Römische Reminiszenzen

Manchmal muss man Rom einige Tage oder Wochen hinter sich lassen, um einen klaren Blick auf das zu werfen, was man erlebt hat. Es mag wohl sein, dass dies bei jeder großen Stadt so ist, aber bei Rom und New York finde ich diese Sentiment am auffälligsten.

Gewiss, manchmal fallen mir auch zu meiner Wahlheimat München entscheidende Dinge erst ein, wenn ich wieder in meiner römischen Lieblingspizzeria, am Freitagabend in Monti sitze (und nein, ich schreibe jetzt nicht, wie die heißt oder wo sie zu finden ist – Kennern der Szene ist der „Freitagabend“ Hinweis genug ;).

Es war wohl der letzte Besuch in Rom für dieses Jahr, zumindest habe ich noch keinen weiteren Grund (und keinen weiteren Auftraggeber) finden können.

Die ewige Stadt … doch, ein wenig Ewigkeit beschleicht einen schon, wenn man durch die Straßen streift, Freunde trifft, Fremde beobachtet … man kann sich sogar in einem Irish Pub in einer Vorstadt heimisch fühlen – es müssen nur die richtigen Gäste da sein.

Kunstausstellungen.

M C Escher - Rom

M C Escher – Rom

Doch, ich mag Kunstausstellungen. Ich besuche auch regelmäßig dieselben. Und ärgere mich jedes Mal, wenn mich als allerersten ein großes Schild anschreit: FOTOGRAFIEREN VERBOTEN! Ich spare mir jetzt die Übersetzung in diverse Sprache – es ist überall dasselbe, vor allem bei kleineren Ausstellungen. Große Museen haben längst erkannt, dass in der Fotografie keine Gefahr steckt. Ich erinnere nur an Bendor Grosvenor wunderbar ironischen Artikel in der Financial Times vom 23. August 2014 – es macht keinen Sinn die Fotografie zu verbieten, viele große Museen (Louvre, Metropolitan, Royal Gallery) haben schon reagiert und dieses sinnlose Verbot aufgehoben. Warum sinnlos? Die meisten Touristen können sowie keine hochwertigen digitalen Bilder auf die schnelle machen, warum auch? Wen es wirklich interessiert kauft einen Katalog – wenn er denn gut gemacht ist und den Preis wert. Was ein solches Verbot verhindert, ist Besucher mit den Kunstwerken abzubilden, was es verhindert, ist Kunst, ist Beobachtung, ist Festschreiben von Zeitgeschichte. Julian Barnes Einleitung zu „Metroland“ ist ein wunderbares literarisches Beispiel dafür …

Es ist einfach nur dumm.

Es war übrigens eine Ausstellung zu M C Escher im Chiostro del Bramante, das diesen kleinen Ausbruch auslöste. Sehenswert, wenn auch etwas teuer, den Katalog würde ich zu dem Preis nicht kaufen. Und das Bild hier ist natürlich illegal, aber ich konnte nicht widerstehen und so ein Handy ist schon eine tolle Sache, wenn man weiß wo eine Kamera hängt und mit wem eine der unendlich vielen Aufsichten gerade ratscht.

Einfach nur schlafen,

Sleeping in Rome

Sleeping in Rome

war noch nie sonderlich einfach ein Rom, zumindest wenn man wie ich gerne ein Fenster offen lässt. (Ma i ladri, dottore ! …. ich weiß, ich weiß Paolo, die Diebe) Es sind weniger die Diebe als die zwischen zwei und fünf Uhr morgens ihre Runden machende Müllabfuhr, die die Nachtruhe erschweren. Für mehr und mehr Menschen, ist es aber nicht der ubiquitäre Lärm, sondern schlicht die Not, die die Nachtruhe erschwert. Ich habe noch nie so viele Menschen in Ecken, auf vatikanischem Marmor und auf Bänken schlafen sehen in Rom, wie dieses Jahr. Und nein, das sind keine organisierten Bettler (die schlafen in den Vorstädten, nachdem sie der Minibus abgeholt hat) und auch keine Asylanten (die trauen sich das schlicht nicht) … das sind Menschen, wie du und ich, die auf der Straße gelandet sind. Hat es schon immer gegeben, sagen Sie – gewiss, aber es ist die schiere Zahl, die mich sehr nachdenklich macht.

Noch eine Schlussbemerkung.

Palazzo del Lavoro - Roma

Palazzo del Lavoro – Roma

Kennen Sie den Palazzo della Civiltà Italiana? Nein? Ich kannte ihn auch nicht. Die Römer nennen ihn meisten Palazzo del Lavoro. Es ist ein Überbleibsel des „buio“, der dunklen Zeit, wie es Indro Montanelli so schön nannte, ein gewaltiger Klotzkasten, dessen Fensteranzahl (sechs mal neun) für die Namen des Auftraggebers stehen: Benito Mussolini. Durchaus einen Besuch wert, vor allem am Abend, wenn man einmal faschistische Architektur studieren will.

Warum ich das hier erwähne? Man kann dort prima parken, wenn man in einem Hotel in der westlichen Peripherie haust und sich mit Freunden zum Freitagabend treffen will 😉

Einblicke – September

Mantua – ein Tordurchgang in der Sonne am Spätnachmittag. Viel ist nicht zu sehen: ein leerer Platz, ein paar wenige Tische, ein telefonierendes Mädchen..
Aber der Blick reizt, ein paar Schritte weiter zu gehen. Wie groß wird der Platz wohl sein, der sich hinter den Mauern verbirgt? Was ist dort zu sehen?

Stadtpläne verraten einem zwar den Weg zu dem Ort, an den man gelangen möchte, aber einen Eindruck dessen, wie es dort aussieht, geben sie nicht. Diese Erkenntnis kommt mir immer wieder, wenn ich auf Reisen unterwegs bin – auf Entdeckertour. Es gilt vielmehr, die Augen offen zu halten, das Interessante und Unerwartete wahrzunehmen, nicht Sehenswürdigkeiten abzuhaken und weiter zu hechten.

Mantua - Einblicke

Mantua – Einblicke

Ein kleiner Ort wie Mantua lädt dabei viel eher ein, als Entdecker unterwegs zu sein, als große Reisemetropolen wie London, Venedig oder andere viel beworbene Urlaubsziele, wo man vor lauter Touristen, Kameras und Handys kaum noch den Ort erleben kann, an dem man selbst gerade steht. Aber auch dort kann man – wenn man seine Perspektive verändert – vieles entdecken:
Unscheinbares, besondere kleine Juwelen, Armut und Einsamkeit oder Gemeinschaft der Menschen, die dort leben, Gerüche, Geschmack von Speisen und Getränken, Wärme ebenso wie Kälte – echtes Leben jenseits des touristischen „heile-Welt-Blicks“ zeigt sich in vielen Dissonanzen und bietet viel mehr Einblicke in fremde Kulturen.

Wagen wir doch wieder öfters, als Entdecker unterwegs zu sein, suchen wir uns eine eigene Perspektive, schmecken und riechen wir selbst, was uns umgibt – mit den eigenen Augen, Ohren, Nase und Mund!

Diese Eindrücke können weder Handys noch Digicams festhalten – Gott sei Dank!

Gastbeitrag von Dorothea Elsner zum Kalenderprojekt 2014.
Den vollständigen Kalender finden Sie unter http://www.thomasmichaelglaw.com

Venedig

„So ist Venedig, die Schöne, schmeichelnd und verdächtig, Legende und Falle für die Fremden“, schrieb Thomas Manns in seiner Novelle „Tod in Venedig“.

Es ist kaum je treffender formuliert worden.

Eigentlich Wahnsinn im Hochsommer ein Wochenende dort zu verbringen; bisweilen bringt aber ein Gewitter nicht nur eine Klärung der Atmosphäre, sondern auch Licht und Stimmung, die der Stadt so viel mehr zu entsprechen scheinen.

Frühes Aufstehen lohnt sich.

Venezianische Spiegelungen

Venezianische Spiegelungen

Endliche graue Fassaden, die sich aufrecken gen Himmel, als ob sie sich mit ihm vermählen wollten.

Mülleimer die geleert werden.

Müllsäcke die verharren.

Menschen, die unbehindert von Touristenhorden ihrem Tagwerk nachgehen.

Gondeln, die, verpackt in Plastik, darauf harren wieder tausende knipsende Touristen durch die Rii – Canale, Plural Canali, heißen nur wie wenigsten Wasserstraßen in Venedig, Rio, Plural Rii, die meisten -zu befördern.

Verpackte Gondeln

Verpackte Gondeln

Eine blitzblanke Thunfischdose, deren Reinheit sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, auf eine streunende Katze zurückführen lässt.

Florians Tische in geometrischer Präzision, deren Stille nur durch ein Mädchen gestört wird, die die Verstimmung des gestrigen Abends am Telefonino zu beseitigen trachtet.

Florians Tische

Florians Tische

Morgengeräusche.

Das Rumpeln von Plastikkoffern auf Rollen, in denen Touristen ihre Habe durch die Welt rollen.

Wo sind die Lederkoffer, die sich zu Thomas Manns Zeiten mit elegantem Schwung ins Motoscafo befördern ließen.

Reminiszenzen vergangener Tage.

Stattdessen: klonk, klonk, klonk.