Manchmal kommt es mir so vor, als könne ich Farben nicht mehr richtig sehen. Alles wirkt irgendwie verwaschen. Ich schiebe es dann meist auf auf meinen Optiker oder meinen Weinlieferanten. Wenn ich mir die Weltgeschichte, so wie sie sich momentan darbietet, anschaue, scheinen mir meine heutigen Bilder des Herbstes eher schmeichelhaft.
In der Presse ist von Rechtsruck, von Nazis, von linkem Pöbel, von islamistischen Gewalttätern die Rede. Selbst die gute alte Tante FAZ beginnt in diesem Konzert schrille Töne anzustimmen. Eigentlich schade. Neben der Neuen Zürcher war sie lange Jahre eine Stimme der Vernunft, aber vielleicht hat ja das schrille neue Design der „Web Version“ dazu beigetragen. Den Designer haben sie ja kurz nach der Fertigstellung gefeuert, nein, Gott bewahre, er hat sich neuen Aufgaben zugewandt.
Verwaschen. So scheint mir die Welt. Und ich kann verstehen, dass diese Unsicherheit Menschen Angst macht. Ich würde mich da nicht ausnehmen. Was ich mir von den Medien wünschte, wäre die Trennung von Meldung und Meinung, ein Grundgedanke fairen Journalismus, den man mir vor 45 Jahren eingebläut hat, als ich auf Bezirksligaspielen und Hasenzüchtervereinshauptversammlungen (ist Deutsch nicht eine wunderbare Sprache) erste Märker im Journalismus verdiente.
Was ich mir wünsche, wären Mitmenschen, die die unglaublichen Möglichkeiten dieses Netzes nützten, um der Wahrheit ein Stück näher zu kommen. Was ich mir auch wünschte ist, dass wir Menschen, egal welcher politischer Couleur, wieder ausreden ließen, auch auf der Frankfurter Buchmesse. Ich habe noch Professoren erlebt, die nieder geschrien wurden, weil ihre Lehrmeinung wenigen linken Damen und Herren anno 1979 nicht passte. Hat es irgendetwas besser gemacht? Nein. Und Adorno haben die Schreier sowieso nicht verstanden, dazu waren sie zu dämlich.
Ich mache mir Sorgen um unsere politische Kultur. Sie mögen argumentieren, bei einem Glas Chateau Brejoux aus dem Jahr 2010 und den Balladen von John Coltrane ließe es sich leicht Sorgen machen. Es macht das Nachdenken, meiner Ansicht nach, zwar einfacher, die Welt aber nicht besser.
Trump.
Erdogan.
Orban.
Brexit.
Ein totalitäres Regime in China.
Armut, Mord, Hunger, Wassermangel … ich mag gar nicht alles schreiben, was mir einfällt, in Afrika.
Was das alles mit diesen Bilder zu tun hat?
Dieses Netz, in dem auch ich mich bewege, scheint uns alle taub und blind zu machen. Es macht uns unempfindlich, für all das, was passiert, und zugleich überempfindlich für einen Haufen sinnloser Kleinigkeiten, die sich wie ein süßer Brei über unsere Wahrnehmung gießen.
Uns entgleitet die Kultur der politischen Debatte.
Uns entgleitet der Streit.
Wer uns nicht passt, wird nieder geschrien, anstatt uns mit ihm (oder ihr 🙂 ) auseinanderzusetzen.
Es bleiben Schemen.
In diesem Herbst sind die Schemen noch schön.
Bunt.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie bald unschön werden. Erst Rot dann Braun. So wie Blut, das gerinnt.