Stadtlichter ? Wenn man spät sein Büro verlässt, gar noch ein Bierchen beim Augustiner am Dom getrunken hat und sich langsam auf den Heimweg im nächtlichen München macht, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass unsere Innenstädte … sterben.
Das deutsche „Innenstadt“ klingt anders als das englische „inner city“; letzteres klingt nach Gefahr, mindestens nach Taschendiebstahl, meist eher nach Messer im Rücken oder zumindest nach einer ziemlichen Beule am Kopf; um etliche Euros, Dollars oder Yüan ärmer und besten falls um eine Erfahrung reicher.
Münchens Innenstadt, wobei das Wort Innenstadt in mir immer noch das Gefühl von Leben, Bewegung, Stimmen, Lachen, Hektik hervorruft, ist abends vor allem eines: dunkel und ziemlich leer.
Es ist dunkel hinter fast allen Fenstern.
Da huscht kein Schatten.
Kein noch so großer Bildschirm wirft die hektischen Bewegungen moderner Fernsehunterhaltung auf die Decke, die gegenüberliegende Wand oder gar eine Gardine.
Nichts, das die Fantasie des Passanten beflügeln würde, ist zu sehen
Hinter den Fenstern in Deutschlands Innenstädten ist es einfach dunkel.
Klar Anwälte, Privatkliniken, Schönheitssalons, Finanzberater arbeiten um diese Zeit nicht mehr. Diejenigen, die tagsüber diese Büros bevölkern sind um diese Zeit wahrscheinlich schon längst vor ihren Fernsehern in den Vorstädten – grauenvolles Wort – eingeschlafen. In München spricht man gerne von einem Speckgürtel.
Eines Tages werden diese Innenstädte nur noch riesige Einkaufstempel sein. Tempel scheint mir hier durchaus das treffende Wort zu sein. Wenn C G Jung heute gelebt hätte, dann hätte er sicher einiges über Triebsublimierung durch Shopping geschrieben. Aber merken wir nicht, dass dadurch das, was einmal „Stadt“ ausgemacht hat, nämlich Leben, nein, freies Leben, allmählich zerstört wird? Dass wir unsere Individualität verlieren? Dass die Geschäfte in den Innenstädten überall in der Welt gleich aussehen?
Natürlich ist dieses Lamento schon tausendmal geschrieben worden. Aber ich mag dieses München. Ich habe mich schon einigermaßen herumgetrieben in dieser Welt und bin immer wieder zurückgekommen hierher. Gerade deshalb macht es mich traurig, dass auch wir uns von Gott Mammon dazu verführen lassen unsere Städte dem inneren Verfall preis zu geben.
Gott behüte; äußerlich werden sie nicht verfallen.
Ganz im Gegenteil.
Der Marmor wird immer fetter.