Ich wollte immer schon einmal das neue Jahr in Rom beginnen, dieses Jahr ist es mir gelungen. Es war bis dato ein sehr nasses Ende eine eines ereignisreichen Jahres – hier goss es bis gestern in Strömen. Gut, die Temperaturen mögen ein wenig höher sein als in München, trotzdem kommen auch in Rom bei Dauerregen nicht wirklich südliche Gefühle auf. Heute Nachmittag zeigt uns die Sonne zum ersten mal seit unserer Ankunft, dass es sie noch gibt …
Wer im Übrigen glaubt, dass Rom zur Zeit der Jahreswende leer sei, den muss ich leider eines besseren belehren. Es wälzen sich babylonische Massen durch die engen Straßen, die zudem auch noch irgendwo gelesen haben müssen, dass man sich am besten in den Stadtbussen bewegt, auch wenn man keine Ahnung hat, wie das wirklich funktioniert
Bei zahlreichen Gängen zur Vorbereitung eines großen Projektes im August 2014 konnte ich einige alte Freunde besuchen, vor allem aber auch solche in Stein und viele Menschen beobachten. Mir fiel, wie so oft in Rom, die Armut auf. Meine römischen Freunde sagen „Ja, ja das sagt der Papst auch immer“ – vielleicht mag es daran liegen, dass die Bettler, vor allem aber die Bettlerinnen, ihr Anliegen hier mit einem deutlich dramatischeren Habitus vortragen.
Trotzdem fragt man sich: wie kann es in einer Stadt, in der die „bella figura“, der äußere Schein einen so hohen Stellenwert einnimmt, so viel Armut geben. Selbstverständlich gibt es organisierte Bettler, selbstverständlich gibt es Banden, die unbedarften Touristen die Euros aus der Tasche ziehen, selbstverständlich muss man, wenn es regnet und man es als Wahlrömer, der es, wie alle die anderen „wirklichen“ Römer eilig hat, an jedem Metro Ausgang, ja an jedem Ausgang überhaupt Slalom um unzählige, dunkelhäutige Schirmverkäufer laufen, von denen einem jeder ein Stück Schrott, genannt „ombrella“, das keine 50 Cent wert ist, für fünf Euro andrehen will.
Trotzdem bleibt ein Nachgeschmack. Vielleicht gerade weil Weihnachten hier in Italien noch nicht so süßlich kommerziell ist wie im heimischen München. Wenn es in manchen Momenten so scheint, dann ist der US amerikanische Anstrich nicht zu übersehen, der mir als zwar weitgereistem, aber mit Überzeugung Europäer gebliebenen, bestenfalls ein Lächeln entlockt.
Was bleibt an diesem Jahreswechsel?
Begegnungen im Regen.
Spiegelbilder.
Und … Vögel.
Sie waren wohl das faszinierendste am bedeckten Himmel Roms. Schwärme von Vögeln, die abends in den wenigen verbliebenen Pinien im Stadtzentrum lärmten und die während des Tages bizarre Muster in den Himmel zeichneten.
Muster die kommen und vergehen.
Was gerade noch Gegenwart ist, ist im nächsten Moment vergangen.
Gegenwärtiges und Vergangenes überschneidet sich, spiegelt sich.
Es ist ein wenig wie beim Hinabsteigen in die Tiefen unter San Clemente. Man begibt sich auf – typisch römisch – schlecht ausgeleuchteten Wegen, eine Reise ausgehend vom Mittelalter, über das vierte Jahrhundert, die Zeiten des frühen Christentums, zu einem noch einmal zweihundert Jahre älteren Mithras Schrein, bis hin zur Wohnung einer römischen Familie der Kaiserzeit. Ein faszinierender Spaziergang durch die Zeit, den ich immer gerne unternehme, wenn ich in Rom bin.
Er demonstriert in gewisser Weise das Bestehen des Verfalls.
So wie die Bilder der Vögel am Himmel, die im nächsten Moment bereits verschwunden waren.
Auguri 🙂
Ein gutes Neues …