Ein Freund von mir befasst sich in seiner knapp bemessenen Freizeit mit mechanischen Uhren. Das Wissen dazu hat er sich selbst aus spanischen und englischen Handbüchern beigebracht. Er kann zauberhafte Geschichten über diese kleinen Wunderwerke der Technik erzählen.
Andere Freunde können Tage, ja Wochen über irgendwelchen vier, sechs, acht oder mehr Zylinder Motoren aus den dreißiger oder vierziger Jahren verbringen. Auch hier: reine Mechanik. Klar spielte Elektrik auch eine gewisse Rolle, aber was bewirkt die Faszination des Mechanischen?
Die meisten meiner Freunde sind zwischen vierzig und fünfzig, stehen mit beiden Beinen im Leben des einundzwanzigsten Jahrhunderts … und sind doch fasziniert von der Technik des zwanzigsten, wenn nicht des neunzehnten.
Ist es die Tatsache, dass sich reine Mechanik leichter nachvollziehen lässt, als all das, was sich im allerkleinsten, sei es in Kybernetik, Physik, Mikrobiologie oder Genetik … die Aufzählung ließe sich fortsetzen, abspielt?
Ich gebe gerne zu, dass auch ich bei den modernen Wissenschaften zwischen Faszination und Erschrecken vor der Komplexität schwanke. Vor einigen Jahren hatte ich „Molecular Microbiology of the Gene“ mit in einen Griechenlandurlaub genommen, in der Hoffnung, es „auf die Schnelle“ einmal durchzulesen. No such thing. Die Details dieser Wissenschaft sind phänomenal und machen es einem, wenn auch durchaus wissenschaftlich vorgebildeten, Außenseiter wirklich schwer, Zusammenhänge zu behalten. Es ist gar nicht einmal das Verstehen, es ist das Behalten, das erklären können.
All das war zugegebenermaßen im mechanischen Zeitalter einfacher.
Vor ein paar Wochen hatte ich die Gelegenheit, einige Standorte, sprich Museen, des Landschaftsverbandes Westfalen – Lippe zu besuchen. Ich war fasziniert; nicht nur von der Art der Präsentation, den Erklärungen, die wirklich ein industrielles Zeitalter zu neuem Leben erweckten, es war das schier Mechanische, das mich in seinen Bann zog. Vielleicht auch die Größe. Vielleicht auch, dass man in dieser Zeit noch versuchte, das rein Mechanische mit dem Schönen zu verbinden. Eine Zeche mit Elementen des Jugendstils.
Wenn wir einen Blick auf unsere heutige Industriearchitektur werfen – einmal abgesehen, von einigen wagemutigen Beispielen, die meistens in der „campagna“ zwischen Mantova und Rom vergammeln und auch die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Technik vermissen lassen, herrscht Öde.
Welcher Architekt wagt es noch, Industriearchitektur zu schaffen, die dem Menschen entspricht, der Arbeit förderlich ist und … Schönheit ausstrahlt.
Ich weiß.
Schönheit.
Horribile dictu.
Brauchen wir nicht.
Doch.
Dieses „doch“ der deutschen Sprache ist ein wunderbares Wort.
Mächtig 🙂
Deshalb noch einmal:
Doch
Wir brauchen Schönheit.
Im Alltag.
In allem was uns umgibt.
Sie erhebt uns über eben jenen Alltag.
Sie lässt uns teilhaben an der Schöpfung.
Und sie sollte auch ihren Platz in der Industriearchitektur haben.
Die Aufnahmen entstanden in der Zeche „Zollern“ und im Schiffshebewerk „Henrichenburg“; ich hoffe, in den nächsten Jahren auch die anderen Standtorte des Landschaftsverbandes Westfalen – Lippe besuchen und für eine Ausstellung zu fotografieren. Die Museen, wenn man diese Standorte überhaupt als solche bezeichnen kann, sind vorbildlich, faszinierend, spannend … einen Besuch wert. Und vergesst die Kamera nicht 🙂