Reflexionen

Ich war versucht das Wort „Spiegelungen“ stattdessen zu verwenden, denn es waren eigentlich Spiegelungen mit denen ich diese Woche begonnen habe zu experimentieren. Der Begriff der Reflexion ist jedoch weitergehend und meine Auseinandersetzung mit den Spiegelungen führte einfach zu weiteren „Nachdenkereien“, wie es einst Erich Kästner so schön nannte …

Wasser ist das einzige der vier „klassischen“ Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, das in der Lage ist ein Bild wiederzugeben, sofern wir die Möglichkeit der Luftspiegelung, also der Fata Morgana, einmal ausschließen.

Spiegelung 1

Spiegelung 1

Um jedoch eine genau Wiedergabe zu erhalten muss es quasi windstill sein, ein Zustand der praktisch fast nie erreichbar ist. Folglich ist es sehr spannend zu sehen, was Luft und Wasser gemeinsam an Bildern produzieren. Präzision und Verwaschung, bewusste oder unbewusste Veränderung der Realität .. bisweilen gelingt es einen Moment so festzuhalten, dass man beim ersten Betrachten fast zögert und sich nicht sicher ist, ob es wirklich ein Spiegelbild ist. Andere Bilder weisen Veränderungen auf, die an die Impressionisten oder Pointillisten erinnern – also von der Natur hervorgerufene Veränderungen, die wie bewusst künstlerisch gewählte Ansätze wirken.

Spiegelung 2

Spiegelung 2

Stets ist es der Blick des Fotografen, die Wahl des Ausschnitts, des Winkels, last but not least des Lichts, die bestimmen, was eigentlich abgebildet wird.

Marc Riboud, ein von mir sehr verehrter Meister der Fotografie (http://www.marcriboud.com/) ist diese Woche neunzig Jahre alt geworden. Vorgestern Abend saß ich bei einem Glas Rotwein und betrachtete wieder einmal seine Eindrücke des Lebens. Ich reflektierte auch hier den Begriff der Spiegelung, denn seine Bilder spiegeln einfach die Zeit wieder, in der er lebte und arbeitete. Es machte mir aufs Neue klar, wie wenig sich optisch geändert hat, wie viel jedoch im Verhältnis zwischen abgebildetem Objekt und Fotograf. Es ist kaum noch möglich unbeobachtet zu arbeiten, vielfach, sofern man es mit der Absicht der Veröffentlichung tut, ist es sogar verboten. Manche Länder, Frankreich beispielsweise, haben Gesetze zum Schutz der Persönlichkeit eingeführt, die ein Arbeiten wie Marc Ribouds und der anderen Altmeister der Fotografie unmöglich machten.

In gewisser Weise hat die Fotografie zugegebenermaßen ihre Unschuld verloren. Sie hat damit aber auch ihre Fähigkeit zur Dokumentation des Alltags zum Teil eingebüßt, auch wenn ein Heer von street photographers tagein tagaus loszieht.

Irgendwie fehlt der Blick des Meisters 🙂

età

Don Alphonso, geschätzter Blogger in der FAZ, beschreibt in seinem Beitrag diese Woche einen alten Mann, der ganz langsam den Oberbuchberg hochgeht, langsam aber stetig.

Langsam aber stetig.

Generationen

Generationen

Ich bin morgen bei einer reizenden und überaus agilen Dame zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Leider werde ich nicht gehen können, denn ich habe Verpflichtungen in München. Wir waren vergangenes Wochenende gemeinsam in Polen, um an einer kulturellen Partnerschaft zwischen zwei Städten zu feilen – erfolgreich hoffentlich.

Mich lässt der Gedanke des Alterns seit dem nicht los.

Im italienischen gibt es ganz verschiedene Begriffe für das deutsche Wort „Alter“: anzianità, età, vecchiaia – jeder beschreibt etwas anderes, vom Alter gemessen in Jahren, über das Lebensalter (oder das Zeitalter) bis hin zu dem „Alter“, das man gemeinhin mit einem hohen Lebensalter assoziiert.

Alter

Alter

Als Fotograf faszinieren mich die Linien, die der große Buchdrucker in unsere Hände, unsere Gesichter, unsere Haut eingräbt um uns alle miteinander daran zu erinnern, dass das Alter, um mit Johann Sebastian Bach zu sprechen, eine Krankheit ist, mit der wir alle geboren werden.

Was bedeutet älter werden in einer Gesellschaft, die nur mehr auf Werte schielt, die mit Jugend assoziiert werden? Heißt es, dass man sich ab 50 zum Affen machen muss und den Trends hinterher laufen, die von der Generation 16 + vorgelebt werden.?

Nun, ich glaube nicht. Alles hat seine Zeit. Älter werden geht einher mit dem Sammeln von Erfahrungen. Es geht einher mit Narben, mit Lachfältchen, mit vielem und vielen, die man zurücklassen musste … aber es geht auch einher mit einem großen Vertrauen in die Zukunft. Vielleicht nicht in Deutschland, wo man Gläser traditionell eher halb leer als halb voll betrachtet …

Wenn ich an meine Jubilarin und, in gewissem Umfang an mich selbst denke, muss ich gestehen, dass das Glas eher voll ist. Zu einem großen Bestandteil hat man es selbst in der Hand, was man aus seinem Leben macht. Es gibt eigentlich keine Ausrede, außer der Bequemlichkeit, sich nicht neuen Herausforderungen zu stellen, nicht doch den Menschen zu treffen, mit dem man glaubt, mehr erreichen zu können, nicht doch einen Schlussstrich zu ziehen unter Gewohnheiten, die noch nie besonders zuträglich waren, aber doch einfach mitgenommen wurden.

Natürlich werden die Linien weiter gegraben. Aber ob es Lachfalten werden oder die Falten, die eine griesgrämige Existenz auf ihrem Weg in die Bedeutungslosigkeit begleiten, liegt allein in unserer Hand.

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Vielleicht wird es ja doch ein warmer Sommer.
Vielleicht hält der geliebte Mensch ja doch eine Umarmung bereit.

Vielleicht weisen die Mundwinkel ja doch nach oben.
🙂

Gefrorene Zeit

Ich musste mir letzte Woche ein wenig Köln von der Seele schreiben. Es ist selten, dass mich eine Stadt so überrascht hat. Auch in Köln erlebte ich Momente, die ich wohl gerne „eingefroren“, für lange Zeit konserviert hätte.

Fotografie tendiert oft dazu den einen entscheidenden Moment festzuhalten. Ein nacktes Mädchen, das vor amerikanischen Napalm Bomben weg läuft, oder denken wir an etwas weniger martialisches, wie Henri Cartier-Bressons berühmtes Bild, das einen Mann beim Sprung über eine Pfütze in Paris erfasste. Cartier-Bresson hat später eingeräumt, dass das Bild gestellt war, nichtsdestotrotz war es der Versuch den „one moment in time“ von dem Whitney Huston singt festzuhalten.

Wasser in Rom 1

Wasser in Rom 1

Fotografie erfasst, im Gegensatz zum Film, tatsächlich einen Moment unserer Zeit. Einige Beispiele meiner letzten Arbeiten aus Rom sollen das hier zeigen. Wasser ist wohl das klassische Beispiel wenn wir den Fluss der Dinge demonstrieren wollen. „Panta rhei“, schrieb Heraklit, alles fließt.

Auch in den römischen Brunnen fließt alles – wenn nicht mal wieder die Technik versagt. Umso faszinierender ist es den Fluss optisch einzufrieren und das Detail zu betrachten. Die vielen kleinen Tropfen, die sich aus dem Fluss ergeben, oder umgekehrt betrachtet, erst den Fluss ausmachen. Ein Teil unserer bildnerischen wie philosophischen Auseinandersetzung mit der Form des Wassers, wird sich auch mit den Übergängen zwischen den Formen und den Übergängen innerhalb der Formen befassen – soweit es sich eben bildnerisch darstellen lässt.

Wasser in Rom 2

Wasser in Rom 2

Tropfen, die einen Strom formen, um beim Auftreffen auf eine andere Form, sei es nun Stein oder stehendes Wasser, wieder zu Tropfen zu werden. Mir fiel dabei das Wort „Ihr müsst werden wie die Kinder“ ein. Vielleicht weil es einige Albernheiten in Köln gab, vielleicht weil ich mir vor einiger Zeit den, allerdings schmunzelnd vorgebrachten, Vorwurf anhören musste, ich wolle nicht wirklich erwachsen werden.

Ich genieße manchmal zwischen Verhaltensrepertoires zu springen. Es gibt Momente im Leben, die man fast nur mit kindlicher Unbekümmertheit meistern kann; legt man die nachdenklichen Maßstäbe des Erwachsenen an, so endet man häufig in Sackgassen, aus denen der Ausweg zumindest zeitintensiv ist.

Wasser in Rom 3

Wasser in Rom 3

Die Betrachtung der Formwechsel beim Wasser mag anregen darüber nachzudenken, wie solche Formwechsel auch bei uns Menschen täglich passieren.

Gefrorene Zeit – es gibt wirklich Momente in denen man die Zeit anhalten möchte, das Geschehen nicht vom Ende her betrachten möchte. Doch die Zeit fließt weiter.

Es ist das Verdienst der Fotografie solche Momente festzuhalten und dabei doch zum Weiterdenken anzuregen. So schließt sich der Kreis: aus einem Moment der Stille, des Stehenbleibens, des Verharrens erwächst uns oft die Kraft zum Weitermachen, vielleicht sogar die Vision eines Zieles, das es wert ist erreicht zu werden.

Köln

Ich hätte wohl eher schreiben sollten „alte Abneigung“, aber das macht sich so schlecht als Titel. Seit einem Tag und noch bis Sonntag sitze ich in Köln, einer Stadt von der ich bis dato nicht viel hielt. Mag vielleicht daran gelegen haben, dass ich mir vor vielen Jahren bei der NATO ein Büro mit einem Kölner teilen musste, der morgens nach Bier und Schabau stinkend auftauchte und schlüpfrige Witze erzählte, na ja eigentlich obszöne. Als Halbbrite habe ich durchaus Sinn für Humor, aber was der „Kamerad“ da so morgens von sich gab … na ja, Schwamm drüber.

Ich schien diesen Eindruck auf die ganze Stadt übertragen zu haben; ich mochte Köln schlicht nicht. Eine Impression, die ich bei jedem Kurzbesuch bisher bestätigt fand. Wie in dem Lied von Klaus Lage, 1000 mal berührt, war jedoch dieses mal alles anders.

Kölner Dom - eingekastelt

Kölner Dom – eingekastelt

Es ging damit los, dass mich der Radfahrer, auf dessen Weg ich gedankenverloren einen besseren Winkel für eine Aufnahme suchte, weder anschrie noch zusammenfuhr, wie es zweifelsohne in München der Fall gewesen wäre. Er grinste vielmehr und meinte „Dat is enne Radwech … jilt auch für die Presse“.

Mir war klar: Thomas du kannst nicht mehr in München sein.

Es kann nicht nur am Eucharistischen Kongress liegen – der nun weiß Gott keine Kirchentag ist – dass hier eine generell fröhliche und entspannte Atmosphäre über der Stadt zu schweben scheint. Menschen lächeln, auch wenn sie es eilig haben. Ein 80-jähriger Kardinal, für dessen theologische wie menschliche Diatriben ich sonst wenig übrig habe, lässt sich von den „Höhnern“ auf der Bühne rocken ….

Kölner Farbspiele

Kölner Farbspiele

Besonders am Abend entfaltet die Stadt ihren ganz eigenen Charme. Ich habe noch nie so viele verliebte Pärchen gesehen, die ihre Liebe einfach zeigten. Unaufgeregt. Mit Augen und Händen. Und auch irgendwie unbeobachtet inmitten vieler Menschen.

Das nächtliche Köln hat auch für Fotografen viel zu bieten. Lichteffekte. Architektur. Last not least einen Dom, der die ganze Stadt dominiert obwohl er städtebaulich völlig „eingekastelt“ ist. Das scheint übrigens auch eine Kölner Spezialität zu sein: grandiose moderne Architektur zu schaffen (oder schaffen zu lassen) um sie dann in einem Umfeld zu präsentieren, das man nur die Hände über dem Kopf … aber ich vergaß, wie sind ja in Köln .. lächeln wir also.

Köln - sagt alles oder :)

Köln – sagt alles oder 🙂

Schlussbemerkung?
Ich glaube es war Einstein, der sagte Vorurteile seien schwerer zu spalten als Atome. Nun dieses ist gespalten worden. Köln ist eine sympathische Stadt, ich freue mich auf die nächsten Tage und werde wieder kommen.

Ach ja, noch eins. Timeo Colonienses, et tavernam commendantes.

“Jehn se blos nich zu Früh. Dat is dat Hofräuhus von Kölle. Bei Päffgen können se richtijes Kölle erleben“. Nun ja, es war ganz nett, nur essen sollte man in diesem Etablissement besser nichts. Das Fleisch hatte die Qualität einer Schuhsole, das Gemüse war halbgefroren.

Semifreddo alla Colonia.
Da war mir Rom lieber, ehrlich 😉