Meeresrauschen

Altantic Ocean in Delaware - Copyright Thomas Michael Glaw

Altantic Ocean in Delaware – Copyright Thomas Michael Glaw

Dämmerung am Atlantik in Delaware – die Sonne taucht die Wasserfläche und den Himmel in ein sanftes blau-rosa.
Es ist ein friedlicher Moment, den man zu diesen Zeiten am Meer erleben kann, am frühen Morgen wie auch am Abend. Es scheint, als würden die Vögel inne halten, schweigen, zur Ruhe kommen. Aber auch das Wasser scheint während der Dämmerung ruhiger zu werden und die Wellen sanfter ans Ufer zu rollen.
August und September zieht es viele Menschen ans Meer, raus aus der Stadt und dem gewohnten Umfeld, raus in eine andere Umgebung, Abstand schaffen zwischen dem Alltäglichen und der Arbeit, genießen von Strand, Sonne und dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen.
Auch mich zieht es immer wieder ans Meer, obwohl ich dem Strandurlaub nicht viel abgewinnen kann und mich nach zwei Tagen Badeurlaub wieder auf Entdeckungsreise begebe, um Land, Leute und Kultur kennenzulernen. Das Spiel von Wasser und Sonne, die Farben des Lichts, der Geschmack der salzigen Luft und das Wehen des Windes faszinieren mich. Am Morgen sind es die sanften Rottöne, in die die Sonne die Welt taucht, am Abend genieße ich die tiefe Dunkelheit, die mich nach der Dämmerung allmählich umfasst und das Meer in sich aufnimmt, so dass nur noch das Rauschen der Wellen übrig bleibt. Am Strand sitzend lausche ich den brechenden Wellen, die unregelmäßig und mit unterschiedlicher Intensität ans Ufer rollen. Dabei gehen meine Gedanken auf Reisen, Ideen, Erinnerungen und Erlebnisse tauchen vor meinem geistigen Auge auf, einige verblassen sehr schnell, andere klingen noch lange nach, wie die große Welle Hokusais oder werden von weiteren Gedanken verstärkt.

Es tut gut, sich am Meer die Zeit zu nehmen und den Wechsel von Tag und Nacht bewusst wahrzunehmen; morgens gemeinsam mit der Natur das Erwachen des Tages zu erwarten und neugierig zu werden, was er bereit hält; abends, um dem vergehenden Tag nachzuspüren, dem Erlebten einen Platz in der Erinnerung zu geben und das Belanglose auf den Wellen davon schwimmen zu lassen.

Gastbeitrag von Dorothea Elsner zum Blatt August unseres Jahreskalenders 2015

Pottgedanken

Grünes Ruhrgebiet - Copyright Thomas Michael Glaw

Grünes Ruhrgebiet – Copyright Thomas Michael Glaw

Klar, der Titel lässt schon erahnen worum es hier geht, aber mal ehrlich: hätten Sie beim Anblick dieses Bildes an das Ruhrgebiet gedacht? An Kohle, Stahl und Staub? Also, ich nicht. Das ist übrigens nicht irgendwo aufgenommen, sondern praktisch noch in Dortmund, in der Nähe der alten Zeche Gneisenau. Der Anblick eines Altarbildes in der Dortmunder Probsteikirche, das wohl die älteste Darstellung Dortmunds aus dem späten Mittelalter enthält, machte mir klar, wie sehr unser Bild des „Potts“ vom 19. und 20. Jahrhundert geprägt ist – eine Konsequenz der Industrialisierung.

In den letzten zwei Jahren bin ich einige Male durchs Ruhrgebiet gereist, um Industriedenkmäler bzw. verbliebene Einrichtungen und Gebäude dessen, was ich Analoge Industrie nenne, zu fotografieren. Auf Grund beruflicher Termine und einem geplanten Besuch der Kokerei Hansa blieb ich dieses Mal zwei Tage in Dortmund. Was macht das besondere dieser Stadt aus? Auch hier sagen Bilder mehr als Worte:

Dortmund zwischen BVB und Currywurst - Copyright Thomas Michael Glaw

Dortmund zwischen BVB und Currywurst – Copyright Thomas Michael Glaw

Beim Gang durch das schwarz – gelbe Dortmund begann ich, die von mir oft belächelte „Spinnerei“ meines alten Freundes und Kollegen Achim für „seinen“ BVB ein wenig besser zu verstehen. Borussia scheint in Dortmund und für Dortmund weit mehr zu sein als nur ein Fussballclub – es ist ein Lebensgefühl. Mich haben die bisweilen in München aufblitzenden Bayern Trikots oder – je nach Wetterlage – Schals, auch immer amüsiert, aber in Dortmund kann man keine 20 Meter gehen, ohne über ein schwarz – gelbes Emblem zu stolpern. Man lebt seinen BVB …

Im Stadtkern von Dortmund fallen, ähnlich wie in Köln, die Bausünden der Nachkriegszeit auf – hier allerdings deutlich schlimmer. Straßen folgen zum Teil nicht ihrem ursprünglichen Weg, Sichtachsen wurden ignoriert, Gebäude in unmittelbarer Nähe zueinander errichtet, deren Linienführung und Ausgestaltung Kopfschmerzen verursachen.

Wie auch in anderen Städten mit historisch gewachsenem Stadtkern, so produzieren auch hier die überbordenden Lichtreklamen der Geschäfte, die um die Aufmerksamkeit potentiellen Kunden buhlen, einen üblen Brei aus Formen und Farben. Schade, dass man hier nicht zumindest ein wenig ordnend eingreift – die Auswirkung der Ästhetik auch auf das Kaufverhalten wird sehr unterschätzt.

Kokerei Hansa/Gasturbinenhalle - Copyright Thomas Michael Glaw

Kokerei Hansa/Gasturbinenhalle – Copyright Thomas Michael Glaw

 

Die überwiegend älteren oder in fremden Zungen sprechenden Menschen, die die Innenstadt bevölkern, schien das allerdings nicht zu stören; man ist entspannt in Dortmund – freundlich, umgänglich, immer zu einem Späßchen bereit. Letztere Beobachtung gilt übrigens auch für die Spezies Kellner, was einen grantl-geschädigten Münchner umso mehr erfreut.

Das, was auf den Tisch des Hauses kam, tat es allerdings weniger. Selten habe ich so viel Fettiges und soviel Fertigpanade garniert mit Tiefkühlprodukten, wohlgemerkt zu gehobenen Preisen,  gesehen. Angeblich soll es irgendwo einen guten Italiener geben, aber wir wollten ja etwas typisches essen. Ich weiß, Freund Tobias stellte dieselbe Frage: Was bitte ist typisch für Dortmund.

Also, wenn Sie mich fragen: der Fettgeruch an jeder zweiten Ecke, der nichts Gutes verheißt, oft vermischt mit dem Duft von Currypulver. Aber da ich es mir ja nicht endgültig mit den Dortmundern verderben will, schweige ich dazu jetzt lieber.

Zur Ehrenrettung des Stadtbildes muss allerdings hinzugefügt werden: es gibt durchaus interessante Elemente moderner Architektur, ebenso wie beeindruckende sakrale Räume, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs entstanden sind.

Orchesterzentrum Dortmund - Copyright Thomas Michael Glaw

Orchesterzentrum Dortmund – Copyright Thomas Michael Glaw

 

Und was das Essen angeht: die Fortsetzung der Reise durchs Sauerland nach Köln bewies, das Pampe auf dem Teller kein Dortmunder Privileg ist.

Grazie Bepi per un buon cena a Colonia 🙂

Kreuzviertelfest

Es gibt Feste, die sich selbst im Weg stehen.
Es gibt Feste, die im Mittelpunkt stehen, ohne einen zu haben.
Es gibt Feste, die jemand in den Mittelpunkt stellen, der lieber im Schatten bleiben sollte.

Und es gibt Feste, die sind.
Die stehen, trotz all der bewegten und sich bewegenden Menschen.
Ein wenig wie der Turm der Kirche im Zentrum dieses Festes, auf dem seit neuestem zu lesen steht: Ja, ich bin da.

Kreuzkirche in Münster - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzkirche in Münster – Copyright Thomas Michael Glaw

Das Kreuzviertelfest.
Im Herzen von Münster.
Und kommen Sie mir nicht mit der Behauptung, es läge nicht wirklich im Zentrum. Wissen Sie, wo anatomisch das Herz liegt? Na also.

Kreuzviertelfest - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertelfest – Copyright Thomas Michael Glaw

Ich mag es genauso geschrieben.
Kreuzviertel.
X4tel, wie es die Organisatoren des Festes gerne nennen, mag cool sein. Hip. Eine wunderbare Ausgeburt einer marketing-orientierten Hirnwindung. Aber –

Kreuzviertelfest - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertelfest – Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzviertel.

Das passt zu den Menschen, die ich dort sah, die den Platz um die Kirche mit Leben füllten.
Leben in Fülle.
Dieses Leben brauchen wir wieder in unseren Städten. Aus diesem Leben entsteht die allseits geforderte Willkommenskultur ebenso wie die Kultur jenseits des Mainstreams.
Jenseits kurzlebiger Marketingideen.

Städtisches Leben.
Leben, das durchaus noch frei macht.
Im Schatten von Kirchen, die Freiheit zu glauben und zu leben verkündigen.

Kreuzkirche - Copyright Thomas Michael Glaw

Kreuzkirche – Copyright Thomas Michael Glaw

Ja, ich bin da.
Hier im Kreuzviertel scheint das stimmig.

An- und Verkauf

Der Plan war harmlos genug. Ein zweiter Gang über die Jakobidult – eine der wenigen „events“, um es Neudeutsch zu formulieren, an denen München noch ein wenig des alten Charme ausstrahlt, der es in den letzten hundert Jahren geprägt hat. Ich war schon letztes Wochenende da gewesen. Die Dult ist eine Mischung aus Trödelmarkt, überflüssiger Novitäten für den Haushalt – verkauft von beeindruckenden Gestalten – und Jahrmarkt im herkömmlichen Sinne. Besonders bekömmlich ist dort das Augustiner Bier und der Steckerlfisch.

Auer Jakobidult - © Thomas Michael Glaw

Auer Jakobidult – © Thomas Michael Glaw

Ich suche den Platz üblicherweise auf, um Menschen zu studieren, um zu fotografieren und um … ja um das alte München mit all seinen Typen, seiner Vielfältigkeit, seinem Witz, seiner Hinterlist …. Ich weiß, all das klingt ein wenig verstiegen, aber glauben Sie mir, wenn Sie offenen Auges über die Auer Dult laufen begegnet ihnen all das.

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Auer Jacobidult München – © Thomas Michael GLaw

Heute musste ich allerdings ein Kleines Hindernis überwinden. War es nur mangelnder Orientierungssinn oder doch der Cognac zum Espresso nach einem wunderbarem Pollo all Cacciatore … ich stieg jedenfalls eine Station zu früh aus, sprich bevor sich die U Bahn auf ihren Weg das Isarhochufer hinunter und unter dem Fluss hindurch zum Kolumbusplatz begibt. Na ja, dachte ich mir, kein Problem. Ein kleiner Spazierganz tut dir gut.

Von wegen. Fünf in rascher Folge vorbeiziehende Polizeiwagen hätten mich warnen sollen. Wenn man diesen kleinen Umweg nimmt kommt man in Sichtweite des altehrwürdigen Stadions an der Grünwalder Strasse vorbei, der Heimat der Löwen. Für nicht eingeweihte: der Fussballclub München 1860. Anscheinend hatten die blauen Amateure (1860) gegen die roten Amateure (Bayern) verloren. Das Polizeiaufgebot war beeindruckend, die Zahl der fetten, glatzköpfigen Fans ebenso. Mein reflexartiger Griff zu Kamera wurde mit den Worten „Schaug blos, des weiterkimmst mit deiner Kamera“ quittiert. Angst? Bewusstsein des eigenen Fehlverhaltens? Ein kurzer Check im Web belegte, dass bereits mehr als 1000 Beamte im Einsatz waren. Glaube ich unbesehen. Toller Sport Fußball. Vor allem aber: tolle Fans. Erinnert sich eigentlich noch jemand an Sammy Drechsels Jugendbuch „Elf Freunde sollt ihr sein“? Ich weiß; das war gestern,

Auer Jocobidult München - © Thomas Michael Glaw

Auer Jocobisult – © Thomas Michael Glaw

Letztendlich habe ich es dann doch noch auf die Auer Dult geschafft und neben einigen Krimis das Poesiealbum einer jungen Frau erstanden (für fünf Euro) die zwischen 1912 und 1923 in Leipzig, Berlin, Neufchatel und Rom lebte. Danach gab es dann noch eine anhörbare Predigt im Abendgottesdienst im Dom,

Was will man mehr von einem mäßig sonnigen Sonntag Anfang August 🙂