Warum fährt man im Winter nach Granada? Eine berechtigte Frage. Vielleicht, weil die Orangen immer noch an den Bäumen hängen, vielleicht, um verwitterte Granatäpfel an Bäumen zu fotografieren, vielleicht, weil man zu dieser Zeit noch nie dort war .
Aber alles zu seiner Zeit. Ein bemerkenswerter Samstag begann mit einem älteren Ehepaar am Münchner Flughafen, das sich verzweifelte bemühte, einen knapp zwei Kilo schweren Schmuck- oder Schminkkoffer (der Herr mag wissen, was sich darin befand) als Gepäck aufzugeben. Der Automat weigerte sich natürlich beständig, ohne weitere Kommentare abzugeben. Irgendwann war es den beiden dann zu dumm, zumal auch kein hilfreicher Geist in den gelb – blauen Farben der Kranichlinie auftauchte, die Passagiere hinter ihnen deutlich hörbar mit den Füßen scharrten und es ihnen „zu bunt wurde“. Allgemeines Aufatmen.
Weiter ging es mit den Damen und Herren der Sicherheitskontrolle. Als Fotograf mit reichlich Equipment gesegnet ist man ja so einiges gewöhnt, aber dass ich dieses mal nicht auch noch die Filter abschrauben musste um den Zwischenraum auf Sprengstoff zu testen, war auch schon alles. München (und Münster – Osnabrück, das muss an dieser Stelle schon angemerkt werden) sind, was die GRÜNDLICHE Überprüfung von technischer Ausrüstung angeht einsame Spitze. Rom, Paris, Edinburgh, Amsterdam, Madrid … eeeeentspannt. Die haben anscheinend begriffen, dass es nicht die Fotografen dieser Welt sind, die das nächste Flugzeug in die Luft jagen werden.

In der Mancha – © Thomas Michael Glaw 2016
Von Madrid aus geht es dann etwas über vier Stunden durch überwiegend menschenleere Gegend Richtung Südwesten. Leider hatten wir nicht genug Zeit, um für aussagekräftige Landschaftsaufnahmen stehenzubleiben, jedem/jeder Interessierten sei die Gegend aber wärmsten empfohlen; ich werde bei nächster Gelegenheit einmal zurückkommen. Wilde Natur, kontrastiert mit streng geometrisch organisierten Olivenhainen, Bergrücken, die fast organisch wirken und Farbspiele zwischen Ocker, fahlem Gelb und Grautönen, die eine Herausforderung darstellen.
Als wir uns in Granada endlich zu einem Hotel nahe des Zentrums mit bezahlbaren Preisen durchgefummelt hatten, hätte uns ein netter Aufkleber im Lift eine Warnung sein sollen. Die Firma OTIS wies mit freundlichen Weihnachtsgrüßen darauf hin, dass der Aufzug in der Nacht vom 24. Dezember für den Papá Noel und in der Nacht auf den 5. Januar für die Reyes Magos, also die heiligen drei Könige, die in Spanien noch einmal Geschenke bringen, reserviert sei. In Deutschland hätten sie sich das niemals getraut, denn es hätte Kritik gehagelt von den Verfechtern einer christenfreien Weihnacht, ebenso wie von der katholischen Kirche. Spanien ist, in vielerlei Hinsicht, ein entspanntes Land. Politisch vielleicht nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Weihnachten in Granada – © Thoma Michael Glaw 2016
Das dicke Ende kam beim abendlichen Besuch in der Innenstadt. Nach Aufenthalten in Madrid war uns schon klar, dass der Spanier erst gegen acht Uhr abends aufwacht und dann in Massen ins Zentrum strebt. Das ist schön, damit kann man leben. Wir hatten nur übersehen, dass es ja auch noch um das Einkaufen von Geschenken geht. Da können zehnmal am 6. Januar die heiligen drei Könige kommen (Kinder nicht weiterlesen), die Geschenke organisieren immer noch Mama, Papa, Oma, Opa, Onkel, Tante, Bruder, Schwester, Cousin und Cousine – üblicherweise im Familienverbund, der dann auch schon einmal laut aufschreiend vor einem wunderschön dekorierten Schaufenster stehenbleibt. Auffahrunfälle der harmloseren Art sind also vorprogrammiert.

Weihnachten in Granada – © Thomas Michael Glaw 2016
Bemerkenswert ist der Lärmvorhang, der über dem ganzen hängt. Wir sind durchaus römische Verhältnisse gewöhnt, aber die hier vorhandene Kakophonie aller Tonlagen übertrifft, zumindest für mein Dafürhalten, alles bisher Gehörte. Geht man dann irgendwann gegen 21 Uhr 30 in die Nähe irgendwelcher Lokale, um vielleicht doch noch einen Happen zu essen, wird das ganze eher noch schlimmer – und die Kinder zunehmend ungehaltener.
Verschärft wird das ganz noch durch die ubiquitäre Nutzung von Minipanzern, die als Kinderwagen getarnt sind, aber lässig den Umfang eines Kleinwagens, mit der Einstellung der Besitzerin (oder des Besitzers) am Steuer eines Panzers zu sitzen, kombinieren. Irgendwo in dem Teil sitzt unter einer Plastikplane (es regnet) ein schreiendes Kind, behängt ist das Ganze mit diversen Schirmen, Taschen und allen weiteren Notwendigkeiten – von diversen Weihnachtseinkäufen ganz zu schweigen.

Weihnachten in Granada bei Tag betrachtet – © Thomas Michael Glaw 2016
Warum fährt man also zu dieser Zeit nach Granada? Vielleicht, um einer Illusion nachzuhängen, vielleicht, um Federico Garcia Lorca auf einer feuchten Parkbank zu lesen, vielleicht, um eine paar Bilder vom – nach unserer Vorstellung – nachweihnachtlichen Granada zu machen. Sicher, um am nächsten Tag (wieder im Nieselregen) die Alhambra zu besuchen. Davon mehr im nächsten Blog.