Atlantikwall und andere Bunker

Bunker sind nicht mehr zeitgemäß … oder doch? Wenn man die Schlagzeilen überfliegt, den kurzen Nachrichtenschnäppchen zuhört, die in Rundfunk und Fernsehen angeboten werden, könnte man meinen, es wäre höchste Zeit, wieder mit dem Bau neuer Bunker zu beginnen.

Nicht nötig.

Man könnte auch einfach ein Stück Dünenlandschaft an der belgischen Küste erwerben, dort stehen noch genügend herum. Als ich darüber las, dachte ich mir: kann doch nicht sein. Da hat einer irgendwo zwei Bunker fotografiert und erzählt jetzt, die gäbe es überall. Weit gefehlt. Alles was in Deutschland, aber auch in Frankreich, Italien, Österreich und anderen Ländern nach den zweiten Weltkrieg zerstört wurde – um es dann Ende der fünfziger Jahre, atombombensicher, und mit erheblich größerem Aufwand neu in irgendwelche Berge und Hügel zu sprengen – ist an der belgischen Atlantikküste stehen geblieben. Die Frage nach dem „warum?“ konnte mir niemand schlüssig beantworten. Ich hätte mit Gedenkstätten gerechnet, mit der einen oder anderen aus historischen Gründen erhaltenen Geschützstellung. Nicht aber damit, dass man beim Spazierengehen in den Dünen regelmäßig vor kleineren oder größeren Bauwerken aus Beton steht, die sich einfach in die friedlichen Dünen verirrt zu haben scheinen. In einem Blog habe ich gelesen, dass sich ab und zu Liebespaare dahin zurückziehen. Ich könnte mir eine romantischere Umgebung feststellen. Es sind doch eigentlich genügend Dünen da, Sterne auch, zurzeit sogar Vollmond …

Belgische Küste zwischen Oostende und Nieupoort – © Thomas Michel Glaw 2018

Interessant fand ich meine eigene Reaktion auf diese steinernen Reminiszenzen eines Krieges, der 12 Jahre vor meiner Geburt beendet wurde. Während mich die Flanders Fields, die Hügel und Felder, die Friedhöfe, Plätze und Dörfer rund um Ypern wirklich bewegten, stand ich diesen Bauwerken entlang der Küste eigentlich nur erstaunt gegenüber. Natürlich denkt man den „D-Day“, auch wenn diese Strände ein ganzes Stück weiter südlich waren, natürlich drängen sich Erinnerungen an Filme und an Bücher auf. Das Gefühl für die Schrecken des Krieges, das in Ypern überaus präsent war, stellte sich bei mir jedochnicht ein.

Vielleicht ist es die Zufälligkeit, mit der man über diese Betonklötze stolpert, vielleicht ist es die Abwesenheit von Friedhöfen, die es einfacher macht, den Gedanken an den tausendfachen Tod, der sich auf diesen Stränden ereignet hat, zu verdrängen.

Belgiscge Küste zwischen Oostende und Nieupoort – © Thomas Michael Glaw 2018

Mein Sohn würde wahrscheinlich sagen, es sei schon ziemlich schräg. Die Strände sind durchaus einen Besuch wert, die Küstenstädte weniger. Wo es in Italien tausende von „letti sole“ am Strand aufgereiht gibt – Ensemble, die ich von je her vermieden habe und bestenfalls fotografisch oder geometrisch interessant finde – hat man in Belgien die Küste mit hochaufragenden Apartmenthäusern zugekleistert. Den etwas hilflos in den Dünen herumstehenden deutschen Befestigungsanlagen hat man Wohnanlagen für Durchschnittsbürger gegenübergestellt, in denen man auf 40 oder 60 Quadratmetern seinen Sommerurlaub verbringen kann. Die Häuser erinnerten mich an Bienenwaben, nur nicht ganz so kunstvoll – und definitiv nicht so süß gefüllt. Ein Apartment neben dem nächsten und ganz viele übereinander. Es ist eine graue Mauer entlang der See, die deutlich bedrohlicher wirkt als die Bunker, die ein paar hundert Meter weiter südlich in den Dünen stehen.

Strand bei Oostende – © Thomas Michael Glaw 2018

Es sind Formen des Tourismus, die ich nicht verstehe. Warum quetscht man sich samt Familie für zwei oder drei Wochen auf engem Raum zusammen? Warum in einer hässlichen Stadt? Warum an einem windigen Strand, wo es oft regnet und man stets die kolossalen Unterbringungsanstalten im Rücken hat? Es erschließt sich mir noch weniger, als die Touristenmassen, die sich durch den historischen Kern von Brügge wälzen. Aber davon später.

Ypern

Wenn man durch Flandern reist, fühlt man sich ein wenig wie Damiel und Cassiel, die zwei Engel in Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“. Man ist ein Suchender, und die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Wenn man auf schmalen Betonstraßen, die an die Pisten der ehemaligen DDR erinnern, durch die Landschaft rund um Ypern fährt, lässt einen das Schlachten nicht los.

Wie viele Schlachten sind hier geschlagen worden.
Wie viel Blut hat diesen Boden getränkt.

Erinnerungen an Indochina kommen auf, auch an die Stätten der Maya, doch die Schauplätze der beiden Weltkriege, hier in Belgien, stehen emotional einfach näher.

Soldatenfriedhof bei Ypern – © Thomas Michael Glaw 2018

In fast jedem Dorf erinnert ein See von weißen Kreuzen an die anderthalb Millionen jungen Männer, die bei diesem sinnlosen Gemetzel ihr Leben ließen. Aber welcher Krieg ist nicht sinnlos, welche geschlagene Schlacht hat die Menschheit je ein Stück weiter gebracht? Hügel, um die herum zehntausende ihr Leben verloren, liegen heute friedlich im Abendlicht. Allenfalls ein hektischer deutscher Tourist aus Bonn, der, sein Auto im Halteverbot parkend, schnell ein paar Fotos macht, stört die Ruhe.

Ob die Größe der Monumente wirklich der Größe der Opfer entspricht?
Einzelne Obelisken stehen einfach in der Landschaft herum, als ob sie selbst langsam den meist auf ihnen proklamierten Heldenmut in Zweifel ziehen.

© Thomas Michael Glaw 2018

Es sind so viele Namen, gemeißelt in Stein, fein säuberlich mit Rängen und Regimentern, dass die Buchstaben vor meinen Augen zu tanzen beginnen.

So viel Blut. So viele Verwundete, Verstümmelte, im Gaskrieg Erblindete oder erbärmlich Erstickte. Es ist gut, Erinnerungen zu bewahren, aber wenn man an diesen Stellen spazieren geht, wird die Erinnerung selbst zu einer gewaltigen Last.

In Langemarck liegen mehr als 40000 junge Männer. Man nennt den Friedhof auch den Studentenfriedhof. Besoffen von den anfeuernden Worten des letzten deutschen Kaisers starben sie in einer Schlacht, auf die sie nicht vorbereitet waren. Was hätten sie wohl noch vorgehabt? Welche Bücher sind nie geschrieben, welche Lieder nie komponiert, welche Geliebte nie gestreichelt worden?

© Thomas Michael Glaw 2018

Es scheint Frieden zu herrschen. Zumindest für den Moment. Einst heiß umkämpfte Kreuzungen sind zu viel befahrenen Kreisverkehren geworden, Hügel, um deren Besitz jahrelang getötet wurde, ermöglichen nunmehr lediglich einen schönen Blick auf Ypern.

Über allem liegt eine eigenartige Stille.
Eine Stille, die schreit.
Ein ausgetrockneter Boden, der das vergossene Blut kaum zu verhüllen vermag.

In Flanders Fields.

De Lijn

Man spricht das „de lein“ aus, aber es hat mit einer Leine wenig bis gar nichts zu tun. De Lijn heißt auf Niederländisch „die Linie“; in unserem aktuellen Kontext handelt es sich um den Verkehrsverbund in West Flandern. Wie ich darauf komme? Wenn ich mich wirklich langweile, es an Bord kein Handelsblatt gibt, kein Artikel dringend geschrieben werden muss, greife ich zum Lufthansa Magazin. Das soll jetzt nicht abwertend gemeint sein. Die (vermutlich jungen) Damen und Herren, die dieses Magazin publizieren, geben sich redlich Mühe, trotz der Vorgaben ihrer Meister (der Marketing Abteilung der Lufthansa), ein lesbares Magazin zu produzieren. Einmal im Monat lese ich es auch. Man kann von dem Format durchaus etwas lernen für die gegenwärtige Unternehmenskommunikation, die ja auch zu meinen Geschäftsbereichen zählt. Aber ich schweife ab.

Vor einigen Monaten las ich in eben jenem Magazin einen Beitrag über die flämische Küstentram. Es war ein überaus interessanter, gut geschriebener Beitrag. Heute bin ich überzeugt davon, dass es ein „plant“ war. Ein Beitrag, der gegen Bezahlung oder sonstige Vorteile ins Magazin gehievt  wurde. Schön blöd, auf so etwas hereinzufallen, mögen Sie sagen. Nun ja, shit happens, oder politisch korrekter formuliert:  die Geschichte war wirklich gut geschrieben.

Wir machten uns also auf gen Brügge (siehe mein letzter Beitrag), erwarben ein fünf Tage Ticket für „de Lijn“, was zugegebenermaßen günstig ist, downloadeten (ist Deutsch nicht eine wunderbare Sprache) die App (ohne App geht heute gar nichts mehr), und begannen zu planen.

De Lijn – © Thomas Michael Glaw 2018

Das erste, was wir bemerkten, ist, dass die famose App allerlei Alternativen enthält, die in jenem Ticket von „De Lijn“ nicht enthalten sind. So kann man von Brügge nach Ostende zwar durchaus mit dem Bus fahren (De Lijn umfasst nur Busse und die Küstentram – das sagt einem aber niemand). Man braucht dann aber zweieinhalb Stunden. Alternativ kann man auch 4,30 Euro bezahlen und ist in 12 Minuten da. Mit der belgischen Bahn. Genau die Alternative, die einem auch die App von „De Lijn“ vorschlägt.

Am ersten Tag waren wir wagemutig. Wir nahmen den Bus nach Blankeberge. Das Erlebnis war es wert, denn es brachte uns der belgischen Gesellschaft heute ein gutes Stück näher. Mit an Bord dieses Busses waren rund ein Dutzend Schwarzafrikaner, die sich über ihre Belange während der ganzen, etwa 25 Minuten dauernden Fahrt, unterhielten. Man konnte, ob der Lautstärke, nicht weghören. Die Frauen benutzten eine Sprache, mit der ich nicht vertraut war, die Männer sprachen in einer Mischung aus Französisch, Englisch und einer mir nicht bekannten Sprache.  Es war nicht uninteressant, ihnen zuzuhören. Interessanter jedenfalls als den Kindern, die sich einfach ein einer nicht näher zu definierenden Sprache anschrien, Doch wirklich. Anschrien.

Kusttram – © Thomas Michel Glaw 2018

Wir stiegen dann alle gemeinsam in Blankenberge aus. Unsere schwarzafrikanischen Freunde gingen ihres Weges und wir nahmen die nächste Küstentram. Das Bild, das die Lufthansa gezeichnet hatte, verflüchtigte sich schnell. Freiheit. Gute Sicht auf die Küste. Interessante Menschen.

Die Küstentram (Kusttram sprich Linie 0) ist vor allem ein Nahverkehrsmittel für Menschen, die ihren Urlaub an der belgischen Kanalküste verbringen. Wer glaubt, er könne die belgische Küste betrachten, sollte sich besser ganz hinten hinsetzen, denn die meisten Waggons sind mit dieser modernen Werbung beklebt (siehe Rom), die nur eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung der Umgebung ermöglichen.

Kusttram – © Thomas Michael Glaw

Außerdem ist die Kusttram voll. Jede einzelne. Egal, von wo sie nach wohin auch immer fahren wollen. Sie ist ein Nahverkehrsmittel, aber bestimmt nicht ein Weg, die belgische Küste zu erfahren. Was es da so zu erfahren gibt, berichte ich in einem anderen Beitrag.

Bitte, fahren Sie nicht wegen der Kusttram nach Flandern. Es mag andere Gründe geben. Die Tram ist keiner. Die App von „de Lijn“ ist eher ein abschreckendes Beispiel, wie man Nahverkehr eher nicht organisieren sollte.

Wanderer kommst du nach Brügge

Nein, es hat keine Schlacht gegeben. Und doch gibt es etwas zu verkünden, davon aber später. Ich wollte schon seit langem einmal die flämische Kusttram, die Küstentrambahn, ausprobieren und auch den „Flanders Fields“ ein wenig nachspüren.

Aber fangen wir am Anfang an. Wir waren zum nachgefeierten fünfundachtzigsten Geburtstag meiner Mutter in Köln und wollten uns von dort aus mit der Bahn nach eben jenem Brügge aufmachen. Wir wollten die Bahn nehmen, denn die Verbindung über Brüssel ist günstig, auch in preislicher Hinsicht, und uns in Flandern mit „de Lijn“, dem dortigen Nahverkehrsverbund, bewegen. Dazu später mehr.

Zunächst einmal erwartete uns am Kölner Hauptbahnhof das übliche DB Chaos. Verspätete Züge, ausgefallene Züge, ausgefallene Entschuldigungen für ausgefallene Züge und Hinweistafeln, die so schnell rotierten, dass man mit dem Lesen nicht mehr nach kam. Züge verschwanden, tauchten wieder auf, verschwanden wieder, wurden geteilt, und aus zehn Minuten Verspätung wurden erst zwanzig, dann vierzig.

Endlich kam der ersehnte ICE, glücklicherweise hatte er auch noch die Originalnummer, so dass unsere Platzkarten noch gültig waren und wir uns nicht um einen Stehplatz im Gang prügeln mussten. Nachdem wir den englischen Enkel einer Hamburger Großmutter zwischen uns platziert hatten, so dass Oma nicht mehr auf dem Koffer sitzen musste, rumpelten wir los Richtung Aachen.

Belgischer Intercity – Erste Klasse

Das interessante an solchen Zugfahrten sind meist die Gespräche, die sich ergeben. Nachdem wir die jeweiligen Verspätungen bis zu diesem Zeitpunkt durchgehechelt hatten (3 Stunden aus Kiel, 2 aus Hamburg) versuchten wir zu ermitteln, ob Großmutter und Enkel noch ihren Eurostar nach London in Brüssel erreichen würden. Die Chancen glichen einer Achterbahnfahrt, da die Verspätungsangaben im Online Portal der Deutschen Bahn ungefähr so schnell wechselten wie die Lottozahlen. Bald war jedoch klar: das wird nichts mit dem Eurostar. Es würde eine nicht geplante Übernachtung in Brüssel werden. Als der Zug sich in Aachen ein wenig leerte, zogen die beiden ins Nachbarabteil um, wo jetzt auch der junge Mann einen komfortablen Sitz hatte. In unserem Abteil wandten sich die Gespräche der Welt der Oper zu, vor allem der mangelnden musikalischen Qualität der Semperoper. Salzburg bekam aber auch sein Fett ab. Geht doch nichts über ein wenig lästern im Erste-Klasse-Abteil.

Dann fingen auch wir an zu rechnen und es begann erneut das Lotteriespiel mit den Verspätungsangaben. Besonders lustig war es in den letzten vierzig Minuten der Reise. Überschreitet man die geplante Ankunftszeit am Endbahnhof, ist für die Bahn der verspätete Zug nämlich angekommen und man bekommt keine Angaben mehr. Am Ende haben wir dann tatsächlich noch den IC nach Brügge erwischt. Trotz sieben Minuten Umstiegszeit und obwohl wir erst auf Gleis 6 erfahren haben, dass es heute von Gleis 16 losgeht. Nein, und ich war nicht einmal außer Atem.

Dieser belgische Intercity erinnerte mich stark an die Regionalzüge im China der achtziger Jahre, mit denen ich von Beijing nach Chengde gefahren bin. Es saßen zwar nicht vier Leute in der zweiten Klasse nebeneinander, sondern nur drei, aber ich war auch schon lange nicht mehr durch halb im freien liegende Verbindungen zwischen Waggons gegangen. Ein wahrhaft nostalgisches Erlebnis. Als wir die erste Klasse gefunden hatten, war auch sie gut besetzt. Es gab allerdings noch eine Vierergruppe, in der nur eine Dame saß, die ihren Koffer so drapiert hatte, dass von Anfang an klar war: meins! Normalerweise lasse ich mich von so etwas nicht abschrecken, aber die Dame hatte auch einen Blick, der mich sehr stark an eine Französischlehrerin erinnerte und nichts Gutes verhieß. Sie war in der Tat Französin. Ich lächelte also freundlich, wuchtete unser beider Koffer in die Kofferablage und setzte mich der Dame gegenüber. Sie schaute kurz von ihrem Buch auf, blickte mich an, wie man vielleicht eine Spinne auf dem frisch polierten Parkett anblickt, und fragte mich auf Französisch (Ha!), ob sie ihren Koffer wegnehmen solle. Ich antwortete in meinem besten Französisch, das sei schon in Ordnung. Was mir noch einen kritischen Blick einbrachte. Wahrscheinlich war sie wirklich Französischlehrerin, und mit meinem subjonctiv stimmte etwas nicht. Die Pointe kommt, wie immer, zum Schluss: als der Schaffner kam, fragte sie ihn etwas auf Französisch; bei den Flamen kommt das nicht so gut an. Bei einer genaueren Inspektion ihrer Fahrkarte stellte sich zudem heraus, dass sie nur über ein Billet zweiter Klasse verfügte. So kommt man, unverdienter Maßen mögen Sie sagen, zu zwei Fensterplätzen.

Und was hat das jetzt alles mit dem Wanderer zu tun, der nach Brügge kommt. Da geht es Ihnen so wie mir, wenn ich als Kind jeden Abend meinen Vater anbettelte: Nein Papa, die Geschichte ist noch nicht zu Ende! Weitererzählen!

Wir verließen also in Brügge unseren Vorortzug, der unter dem Deckmantel eines Intercitys unterwegs war, und es begann zu regnen. Meine unfehlbare Doro hatte den Weg zu unserem Huisje, sprich unsrer Heimstatt für die nächsten Tage, mit 1,7 km oder 23 Minuten ausgemacht. Im Zug hatte es kein Bier gegeben. Ich hatte die Faxen dicke. Es begann heftiger zu regnen.

Brügge – © Thomas Michael Glaw

Der Taxifahrer hatte sein Handwerk offensichtlich in Les Mans gelernt und fuhr uns in unter sieben Minuten in die Gapaardstraat. Natürlich war es jetzt nicht kurz vor acht, wie geplant, sondern eher kurz vor zehn. Und es schüttete. Meine Wenigkeit hatte nur eine dünne Regenjacke eingepackt, die ich üblicherweise zum Laufen anziehe und die nicht mehr so besonders dicht hält. Aber ein Bier, oder auch zwei, und etwas zu essen hätte jetzt schon etwas.

Also keine Müdigkeit gescheut. Der erste Eindruck von Brügge war: hier werden um zehn Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Auf alle Fälle an einem Donnerstag wenn es regnet. Menschen hetzten nach Hause, Kneipen wurden geschlossen, Kellner standen an Theken und schüttelten auf einen fragenden Blick nur mit dem Kopf. Mein Gesicht wurde immer länger und mein Hemd unter der angeblichen Regenjacke immer nasser. Unter dem leeren aber immerhin überdachten Fischmarkt legten wir eine Pause ein. Ein Blick aufs Handy bestätigte, dass die einzige Kneipe weit und breit, die noch offen zu haben schien, Delaney’s Irish Pub war. Also zurück in den Regen. Und, oh Wunder, der Laden hatte noch offen, war proppe voll (klar, alle anderen hatten ja schon zu) und servierte uns ein Brugse Zot (also einen Brügger Narren) in unter fünf Minuten. Ein wenig später schoben sie dann einen eher geschmacklosen Shepherd’s Pie nach, aber er war warm und wir hatten Hunger. Und das Bier war wirklich nicht schlecht.

Außerdem nieselte es auf dem Heimweg nur noch.

Wanderer kommst du nach Brügge, so vergiss also nicht, dass du nach zehn Uhr zum Irish Pub musst.