Kölner Ruinen

Köln lag in der Tat in Ruinen, es ist bald siebzig Jahre her und wirklich ein trauriges Kapitel europäischer Geschichte. Ich schreibe bewusst europäischer Geschichte, denn das Bombardement deutscher Städte durch amerikanische und britische Bomber stellt für mich ein ungesühntes Kriegsverbrechen dar, das Denkmal für „Bomber Harris“ in London ist  ein Maß dafür, wie wenig sich eine Nation sich mit ihren eigenen Sünden identifiziert.

Aber wir wollen nicht in den Sünden der Vergangenheit bohren, sondern uns denen der Gegenwart zuwenden. Während meines heiß und innig geliebten jährlichen Sommeraufenthalts in Münster (ich mag die Stadt und die Menschen, mit denen ich dort zusammenlebe, wirklich – von Kreuzviertelfest ganz zu schweigen) sind wir wieder einmal für einen Tag nach Köln gefahren. Wer diesen Blog regelmäßig liest, dem brauche ich nicht zu erläutern, dass ich gerne in Köln bin. Auch wenn wenn die Stadt im Sommer voll von Touristen ist – welche deutsche Großstadt mit historischer Bedeutung ist das nicht ? Als Münchner ist man da durchaus ein gebranntes Kind – so hat Köln doch immer eine gewisse schnoddrige Lässigkeit, die ich unglaublich mag.

Konrad der Große – Köln – © 2017 Thomas Michael Glaw

Das eigentlich Ziel der Reise war ja auch – einmal abgesehen von einem großen Teller Dicke Bohnen mit Speck und zahlreichen Kölsch – der Besuch einer Ausstellung zu Konrad Adenauers Zeit als Kölner Oberbürgermeister zwischen 1917 und 1933 im Stadtmuseum, betitelt „Konrad der Große“. To cut a long story short: Der Besuch dieser Ausstellung war eine Enttäuschung. Man lernte nicht Konrad Adenauer und seine Arbeit kennen, das Museum bot eher eine kurze Kulturgeschichte der zwanziger Jahre in Deutschland, mit dem Fokus Köln. Das war durchaus nicht uninteressant, aber es hatte halt so gar nichts mit dem Titel der Ausstellung zu tun. Ganz ehrlich: Ich empfand das schon ein wenig als Etikettenschwindel.

Zumindest bekam man jedoch am Rand  mit, dass dieser Konrad Adenauer, den man aus den Geschichtsbüchern als hochbetagten Kanzler und Rosenzüchter in Erinnerung hat, in seiner Zeit als OB zumindest architektonisch der Moderne zugeneigt war. Ein Beitrag von Boris Profalla in der FAZ vom 6. August tat ein übriges. Wir machen uns also auf die Suche nach architektonischen Kleinodien in der Stadt Köln. Über das erste stolperten wir, kaum dass wir einen Parkplatz gefunden hatten. Es handelt sich um DAS alte Grand Hotel Kölns, das Dom Hotel.  Bis 2013 konnte man dort nicht nur übernachten; wenn man sich die Zimmerpreise nicht leisten konnte, so setzte man sich in die Bar, schlürfte einen Martini, summte „As times go by“ und sah den Passanten auf dem Rocalliplatz zu. Seit knapp vier Jahren ist das Hotel nun geschlossen und eingezäunt, ein Ende ist nicht abzusehen. Das ist eine der ersten Adressen in Köln, nebenbei bemerkt, gegenüber dem Dom, einen Steinwurf entfernt vom Museum Ludwig. Nein, ich kommentiere das jetzt nicht weiter, ich brauche keine Magengeschwüre.

Dom Hotel Köln – © 2017 Thomas Michael Glaw

Wenn man auf den Spuren des Architekten Wilhelm Riphahn Köln durchwandert, könnte man allerdings schon welche bekommen. Zu Adenauers Zeit als OB gehörte er zu dem DEN Architekten der jungen Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Kölner Oper gehört zu seien Bauwerken. Sie ist seit 2012 wegen Sanierung geschlossen, sollte 2015 wieder eröffnet werden, ist aber mittlerweile zum Kölner BER mutiert. Schade. Dieses, über einen zwei Meter hohen Bauzaun gemachte Bild, lässt die schlichte Eleganz der Moderne des Gebäudes nur erahnen.

Kölner Oper – © 2017 Thomas Michael Glaw

Mit der Bastei ist es ähnlich. In dem von Riphahn 1924 auf einem Wehrturm aufgesetzten Zeugnis der Moderne herrscht seit Jahren Grabessruhe. Einst ein Sternerestaurant, haben mögliche Betreiber längst vor den Auflagen der örtlichen Bürokratie kapituliert. Am Tag des Denkmals kann man es besichtigen oder aber während des Jahres für eine private Veranstaltung mieten. Sonst steht das Gebäude leer. Es ist zum Mäuse melken.

Bastei Köln – © 2017 Thomas Michael Glaw

Ich bin wirklich gerne in Köln. Vielleicht schaffe ich es irgendwann sogar noch, dort ein Büro einzurichten, damit ich die Reisen von der Steuer absetzten kann. Aber der Kölner Klüngel nervt, denn er bekommt nichts gebacken. Wie sagt der Kölner: „Et hätt noch emmer joot jejange. („Es ist bisher noch immer gut gegangen.“). Tretet doch mal eure jetzige Oberbürgermeisterin in den Allerwertesten, liebe Kölner 🙂

 

 

Lichte Momente.

In München ist wieder einmal Auer Dult Zeit. Wer meinem Blog schon länger folgt, weiß, dass dieser Markt für mich eine magische Anziehungskraft besitzt. Die Mischung aus Trödelmarkt und Kirmes, auf der sich Menschen unterschiedlichster Herkunft vergnügen, ist eine der letzten Ur-Münchner Institutionen, die noch nicht auf dem Altar des Kommerzes geopfert wurde.

Ich habe dort schon für wenige Euro, manchmal sogar nur für einen einzigen, kleine Kunstwerke, wie Klabunds „Moreau“ oder Franz Werfels frühe Gedichte in dem Band „Wir sind“ in Erstausgaben erstanden. Dieses Mal fiel mir  „Einmal“ von Wim Wenders in die Hände. Für vier Euro wieder einmal ein Schnäppchen, das vom Verlag der Autoren vertriebene Buch kostet im Handel das Zehnfache.

Prag – © 2017 Thomas Michael Glaw

Als ich das Buch gelesen, vor allem aber betrachtet hatte, wurde mir klar, warum Wim Wenders es angeblich oft dabei hatte. Es sind kleine Momente, die er in rhythmisierter Sprache beschreibt, zusammen mit Fotografien, die eine gewisse Zufälligkeit ausstrahlen und doch den brillanten Filmemacher fühlbar machen, der Licht und Perspektiven mit spielerischer Gelassenheit erfasst.

Seine Texte und Bilder erweckten in mir Erinnerungen an unseren letzten Aufenthalt in Prag. Bilder, die in ihrer Art und Weise Solitäre sind. Bilder, die allein stehen. Sie stehen für Momente, die mich an Milan Kunderas Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ erinnern, in dem es  nicht nur um Tomas Affären, die Probleme der „unerträglichen Leichtigkeit“ des Westens, sondern auch  um die Normalität in Tschechien oder in Prag geht. Eine sympathische Normalität, eine Freundlichkeit, die man in westliche Großstädten nur mehr selten findet.

Prag © 2017 Thomas Michael Glaw

Die Bilder, die ich für diesen kurzen Blog gewählt habe, spiegeln für mich Momente wieder, bei denen ich an den Roman dachte. Momente, die eine optisch wunderbare Normalität widerspiegeln. Momente, die mich immer wieder zu Wenders Buch zurückführen. Momente, die zwischen Vergangenheit und Moderne oszillieren. Von der Unterführung im letzten Bild zur Brücke im nächsten sind es in der Realität kaum fünf Minuten zu Fuß. Es ist das Normale im Alltag, die Schönheit in dieser Normalität des Alltags, die wir uns immer wieder bewusst machen müssen. Wenn wir das Gefühl verlieren für diese kleinen optischen Momente, die als Kondensationskerne der Erinnerung fungieren, dann beginnen wir uns selbst zu verlieren.

Prag – © 2017 Thomas Michael Glaw

Es ist das Besondere im Normalen, das heute mehr denn je unser Leben und auch das der sogenannten Generation Y ausmacht. Wir sollten an eben diesem Normalen arbeiten. Aus der Normalität wächst das Besondere. Eben jene lichten Momente.

Rilke, Russland, Marbach

Es begann mit den Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden. Zugegebenermaßen suchten wir einen im Schatten, denn wir hatten umfangreiche Bestände Württemberger Weine im Kofferraum, die wir nur ungern kochen wollten. Aber auch ohne dieses komplizierende Element, wäre es nicht  einfach gewesen, ein Blechgefährt in der Nähe des Marbacher Literaturarchivs abzustellen. Einem Hort deutscher Literatur, was sage ich, Kultur.

Wenn man sich diesem Schrein nähert, hat man gewisse Schwierigkeiten, die richtige Richtung zu finden, denn: das literarische Marbach ist eher ein Labyrinth. Schiller, oder was-auch-immer, scheint einem höheren Zweck dienen zu müssen. Jener höhere Zweck lautet vermutlich: Lasst sie uns nicht finden. Hinweisschilder auf jenem hochkulturellen Gelände stehen völlig im Einklang mit einem  (wie auch immer gearteten) künstlerischen Konzept, zu dessen Rahmenbedingungen offenbar kleine Schrifttypen und unauffällige Stelen gehören. Welch ein Gedanke, dass sich ein Germanist oder eine Germanistin, und wer sonst besucht schon dieses Etablissement, dort nicht per DNA zurechtfinden würde?

Spaß, oder besser Ironie, beiseite, wir wollten eigentlich als unbedarfte Akademiker die Ausstellung „Rilke und Russland“ besuchen, die in der guten, alten Tante FAZ eine ganz anständige Kritik bekommen hatte. Wir waren zudem auf der Rückfahrt von einem Wochenende mit meiner Mutter und bedurften geradezu ein oder zwei ruhiger Stunden.

First Things first: Wir fanden schlussendlich das Literaturmuseum der Moderne. Doch, ehrlich. Das war gar nicht so einfach.

Nachdem wir 9 Euro bezahlt hatten, darauf hingewiesen worden waren, dass eine 20 mal 20 Zentimeter große Handtasche gefährliche Dinge enthalten könnte (und deshalb eingeschlossen werden musste), die Temperatur im Untergeschoss 18 Grad betrug und man deshalb Decken an der  Rezeption erhalten konnte, stürzten wir uns ins Abenteuer.

Wir begaben uns in den Untergrund.
Verziert mit einem Aufkleber.
Erwartungsfroh

Zunächst standen dort ein paar Birken.

Rilke und Birken – © Thomas Michael Glaw 2017

Und dann das

© Thomas Michael Glaw 2017

Was fehlte waren Erklärungen.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin wohl vertraut mit Rilke. Seine Gedichte, wie auch Malte Laurids Brigge, begleiten mich seit meinen späten Teenie Jahren. Trotzdem fühlte ich mich ins kalte Wasser geworfen. Letztes Wochenende war ich in Wien und besuchte „die“ große Egon Schiele Ausstellung. Ich fühlte mich – auch als Schiele Liebhaber – von Anfang an bei der Hand genommen. So, als ob man mit Onkel Paul, dem freundlichen Kunsthistoriker, durch eine Ausstellung wanderte. Der einem dies oder jenes mit einem wissenden Lächeln erklärte, ohne sich je ungefragt in die eigenen Gedanken einzumischen.

Die Damen und Herren, die die Ausstellung zu „Rilke und Russland“ gebastelt hatten, hatten sich offenbar entschlossen, nichts zu erklären. Nein, das ist nicht fair. An den schwarzen Kästen, in denen sie ihre Preziosen darboten, gab es durchaus Erklärungen. Größtenteils in weiß auf durchsichtigem Plexiglas. Nicht unbedingt einfach für ältere Betrachter, und schlicht nicht erreichbar für Menschen im Rollstuhl. Die Vitrinen waren zu hoch. Ginge auch anders, oder?

Rilke und Russland – © Thomas Michael Glaw 2017

Was zudem fehlte waren Wegweiser.
Was wollte diese Ausstellung?
Wohin wollte sie uns führen?

Für den Rilke Kenner boten sie einige Preziosen. Zugegeben. Aber diese waren, selbst wenn man kyrillisch lesen kann, oft nur schwer zu entziffern, ob der im wahrsten Sinne des Wortes obskuren Beleuchtung. Wenn man sich einem Objekt näherte, warf man unweigerlich einen Schatten, der das Entziffern um einiges erschwerte.

Rilke und Russland – © Thomas Michael Glaw 2017

Mir fehlte auch einfach der Zusammenhang. Ich finde ein Konzept, das Rilke auf seine Liebe zu Russland reduziert, ein wenig fragwürdig. Das Mindeste wäre gewesen, dem Besucher / der Besucherin, einen biografischen Leitweg an die Hand zu geben. Ihm / ihr zu erklären, was Rilke sonst noch in Jahren zwischen 1897 und 1924 gemacht hat. Vielleicht sogar eine Erklärung zu dem „warum“ zu versuchen.

Stattdessen: Leere, Dunkelheit, Suchen und einen jungen Studenten, der drei weitere Studenten mit Stentorstimme über diese wunderbare Ausstellung belehrt. Betonräume hallen. Fatal, finden Sie nicht? Nach einer freundlich vorgetragenen Bitte dämpfte er seine Stimme ein wenig, was uns ein „Danke“ anderer Besucher eintrug.

Daneben gab es auch noch Fotografien von Russland. Von der allseits bekannten Barbara Klemm und dem weniger bekannten Mirko Krizanovic. Für sich genommen, auch in dem Spannungsbogen von etwa fünfzehn Jahren, der zwischen den Aufnahmen liegt, ein durchaus interessantes Unterfangen. Es wurden Situationen in Orten abgebildet, die Rilke während seiner Russlandreisen besucht hatte. Was aber hat das konkret mit Rilkes Beziehung zu Russland zu tun? Warum haben es die Macher/innen der Ausstellung nicht geordnet und in einen inhaltlichen Zusammenhang gestellt? Noch eine verpasste Chance.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier das Äußere mehr zählt als der Inhalt. Wenn ich mich an Paul Klees Zitat richtig erinnere, konstituiert das Kitsch. In Marbach konstituierte es eine nur schwer verdauliche Installation, die wenig mit einer Ausstellung gemein hatte. Erinnert sich noch jemand an meinen Blog „utopisches zwei“? Es war eine Ausstellung zu Arno Schmidt, die ich besucht hatte. Auch eklektizistisch. Aber erhellend. Im Gegensatz zu diesem, mit jeder Menge Geld überschüttetem, Machwerk.

Man möchte den Machern raten, beim Folkwang Museum in Essen oder bei der Albertina in Wien in die Lehre zu gehen. Vielleicht verstehen sie dann, wie man Menschen einen Genius näher bringt. Vielleicht lernen sie dort ja auch, wie man einen Katalog erstellt. Der zu Egon Schiele ist großartig, großformatig und wunderbar bebildert. Und kostet 29,90 Euro. Der in Marbach kostet 30 Euro, ist schwarz, kleinformatig, unendlich trendig und enthält wenig.

Das hat er mit der Ausstellung gemein. Es war mehr eine Installation, als eine Hinführung zu der romantischen Liebe Rilkes zu Russland.

Schade.

 

Szenenwechsel

Von Berlin nach Essen.

Der Szenenwechsel könnte kaum krasser sein.

Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, könnte man mit Isabella schillernd formulierend, aber so war es ja nicht.

Der zweite Teil unserer rebellischen Bilder befand sich im Folkwang Museum in Essen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es einen kurzen Zwischenstopp in Münster gab, mit einer wunderbaren, von Herrn Pinkus Müllers Gerstensaft begleiteten, mitternächtlichen Gulaschsuppe und unter Zurverfügungstellung (ist Deutsch nicht eine wunderbare Sprache?) von vier Rädern für die Fahrt nach Essen.

Wenn man von Münster nach Essen fährt, so rollt man entlang langsam verfallender Autobahnen (die Pleiterate unter den Städten im Ruhrgebiet ist gigantisch und der Wille von Mutti Merkel, dem Pott seine Lebensadern zu erhalten offenbar gering) in mittlerweile wieder überaus spannende Städte. Ich meine das durchaus ernst. Wenn hier Ironie im Spiel wäre, hätte ich mich natürlich an Paul Fechters Rat gehalten, und den Satz kursiv gesetzt.

Folkwang Museum - © Thomas Michael Glaw

Folkwang Museum – © Thomas Michael Glaw

Der zweite Teil der Ausstellung, die sich mit dem rebellischen Bild auseinandersetzt (übrigens nur noch bis zum 19 Februar – leider) befindet sich im Folkwang Museum in Essen. Wenn man am Tag zuvor im c/o in Berlin war, haut einen dieser Teil der Ausstellung fast um.

Das Folkwang selbst ist schon ein Erlebnis.

Licht
Hell
Klare Gliederung
Freundliches, kompetentes Personal
Spannende Architektur

So war auch die Ausstellung gehängt.
Im Gegensatz zu Berlin begann man zu verstehen, warum die Fotografen so fotografierten.
Zusammenhängende Bilder waren auch zusammenhängend gehängt.
Licht behinderte nicht, es erhellte.
Kurze Videoclips von Gesprächen mit den beteiligten Fotografen taten ein Übriges.

Rebellische Bilder - © Thomas Michael Glaw

Rebellische Bilder – © Thomas Michael Glaw

Wir hatte außerdem Glück.
Nachdem wir gegen Mittag dort aufkreuzten, hatten wir die Ausstellung für etwa zwei Stunden quasi für uns. Ich vermute einmal, um die Mittagszeit geht man in Essen nicht ins Museum. Die Frequentierung änderte sich schlagartig gegen 14:30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt experimentierte ich allerdings bereits mit der Belichtung, um einen bestimmten Winkel des Museum festzuhalten.

Die Ausstellung beschäftigte mich noch lange.

Vielleicht muss ich wirklich auch meine, viel zu lange von Düsseldorf bestimmte, Sichtweise korrigieren. Vielleicht sollte man wieder mit mehr Mut an Themen herangehen. Ungewöhnliche Sichtweise pflegen. Und Menschen wieder erklären, warum man sie fotografiert. Anstatt zu kuschen und jedem Deppen zu versichern, dass man sein Bild garantiert nicht publiziert.

Verbindungen - © Thomas Michael Glaw

Verbindungen – © Thomas Michael Glaw

Fotografen dokumentieren Leben

Und das sollte so bleiben.

PS: Auf dem Heimweg gab es jede Menge Grafik im Himmel. Ich finde auch Stromleitungen faszinierend.

Berlin, Berlin …

wir fahren nach Berlin. Eigentlich war es ein Weihnachtsgeschenk. Ich hatte in der FAZ von einer Ausstellung  mit dem Namen Das rebellische Bild gelesen, die parallel in Berlin, Hannover und Essen stattfand, und wollte sie gerne besuchen. Nun, das Christkind war großzügig. Ausgehend von der Berliner „Werkstatt für Photographie“ und der jungen Essener Szene, zeigt die Ausstellung ein wichtiges Kapitel der deutschen Fotografiegeschichte neu – jenseits der Düsseldorfer Schule um Bernd und Hilla Becher.

Ich versprach mir viel von der Ausstellung; ich wollte meine eigene fotografische Sichtweise hinterfragen und mich auch mit der bewusst subjektiven Sichtweise der Autoren bzw. Fotografen – Stichwort Autorenfotografie – auseinandersetzten.

Zuerst wollten wir nach Berlin, im Anschluss sollte es Essen sein, und den dritten Schritt nach Hannover würden wir uns sparen, da dieser Standort eigentlich nichts mit der Werkstatt für Fotografie zu tun hatte. Günstige ICE Tickets waren schnell besorgt, das Ende der Ausstellung im Berliner C/O (Ausstellung Kreuzberg Amerika ) gab die Termine vor.

Es ist immer wieder spannend, in Berlin zu sein. Berlin ist, wie Gosbert Adler, einer der jungen Fotografen, im Interview sagte,  immer noch eine Stadt mit vielen Brüchen, eine Stadt, die den Blick der Fotografen immer wieder anregt. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin tragen allerdings nicht zu dieser Anregung bei. Vielleicht sollten sich die Senatoren der Stadt einmal in anderen deutschen (oder internationalen) Städten informieren, wie man die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Verkehrsmittel – vor allem zwischen S und U Bahn – herstellt und wie man seine Fahrgäste zeitnah über Ausfälle und Ausweichmöglichkeiten informiert und sie nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, im Regen stehen lässt.

Bahnhof Zoologischer Garten - © Thomas Michael Glaw

Bahnhof Zoologischer Garten – © Thomas Michael Glaw

Man lernt auf diese Art und Weise zumindest die Ästhetik der Berliner Bahnhöfe erneut schätzen. Nach einigen Umwegen erreichten wir also von Spandau aus den Bahnhof Zoo und machten uns auf den Weg in das C/O Berlin, einem Ausstellungshaus für zeitgenössische Fotografie. Um es kurz zu machen: die Ausstellung hielt nicht ganz, was sie versprach. Ich hatte mir Einblicke in das Denken der jungen Fotografen erhofft, ein besseres Verständnis der Einflüsse amerikanischer Fotografen – immerhin das Motto der Ausstellung – und eine gut gehängte Ausstellung, die eben dies verdeutlicht. Nicht nur, dass man sich in Räumen relativ schlecht zurecht fand, die Hängung ließ jeglichen Sinn für Zusammenhang und Spannung vermissen. Vieles war zu dunkel, bei anderen Bildern schafften die vielen Spiegelungen einen ganz eigene, aber von der Machern der Ausstellung wohl eher unerwünschte Ästhetik.

In der Berliner c/o Gallerie - © Thomas Michael Glaw 2017

In der Berliner c/o Galerie – © Thomas Michael Glaw 2017

Um ein wenig vorauszugreifen: alle diese Themen hat man im Folkwang Museum in Essen wesentlich besser in den Griff bekommen; davon aber im nächsten Blog.

Was blieb also? Eigentlich wollte ich im langsam vergehenden Tag noch kurz zur Karl Marx Allee, um ein wenig mit sozialistischem Zuckerbäckerstil in fahlem Licht zu experimentieren. Wieder war es der Berliner Nahverkehr, der es verhinderte. Die S Bahnen endeten in der Friedrichstrasse wegen eines Polizeieinsatzes am Alexanderplatz, und dank der Informationspolitik in Berlin haben wir dann irgendwann entnervt aufgegeben und die blaue Stunde im Herzen des alten West-Berlin verbracht.

© Thomas Michael Glaw 2017

© Thomas Michael Glaw 2017

PS: Der Espresso im KaDeWe wäre bei meiner Großmutter unter Plörre gelaufen 🙂

Prager Façaden

Wer mich und diesen Blog ein wenig kennt, der weiß, wie sehr mich Façaden faszinieren. Die Front einen Hauses ist für mich wie das Gesicht eines Menschen, man kann unglaublich viel daran erkennen. Ich mag auch altmodische Schreibweisen. Façon, Façade … Der Alte Fritz pflegte angeblich zu sagen in seinem Staat könne jeder nach seiner Façon selig werden. Erst viel später hat man dieses Wort mit „SS“ geschrieben.

Jüdisches Viertel - © Thomas Michael Glaw 2017

Jüdisches Viertel – © Thomas Michael Glaw 2017

Alle großen Städte haben viele verschiedene Façaden, in Prag fielen mir jedoch die Unterschiede mehr auf, als anderswo. Es mag damit zu tun haben, dass meine Besuche in östlichen Städten, einmal abgesehen von Polen und der ehemaligen DDR, mehr als zwanzig Jahre her sind, trotzdem empfand ich in Prag eine Normalität, die nur schwer zu beschreiben ist.

Im Zentrum Prags ist es nicht einfach, Façaden zu fotografieren. Das hängt zum einen mit der Enge der Straßen zusammen – man muss dann schon gewaltig in die fotografische Trickkiste greifen – zum anderen mit der Tatsache, dass die Weihnachtsmärkte mit Buden und tränentreibenden Fichtenholzfeuern die Sicht verstellen. Im Zentrum ist es schön zu sehen, wie viele Häuser den letzten großen Krieg überlebt haben. Prag war in dieser Hinsicht wirklich glücklich. Die Tatsache, dass in den untersten Etagen jetzt dieselben Luxusboutiquen hausen wie in Berlin, München oder Paris ist, ein anderes Thema. Leidig ist es, dass man auf Grund dieser Luxusmieter nicht mehr in die Innenhöfe dieser Häuser vordringen kann, um die Pawlatschen, die umlaufenden Balkone, zu fotografieren. Die spannenderen Arrangements fanden sich daher in der Peripherie.

Prag - © Thomas Michael Glaw

Prag – © Thomas Michael Glaw

Mehr als in anderen Städten im Osten Europas, kann man in Prag auch die Koexistenz von alt und neu beobachten. Wer sich, zumindest vage, an die Romane Joseph Roths erinnert, jenes großartigen Chronisten der untergehenden k.u.k. Monarchie, wird durch weite Teile Prags laufen und vor seinem geistigen Auge die Gespräche zwischen Vater und Sohn von Trotta hören. Wer dann, nach einem schnellen Pils an der Eckkneipe, auf die Elektrische springt und ein paar Stationen weiter in Richtung Peripherie fährt, wird die Häuser finden, in denen, zumindest vor meinem geistigen Auge, die jungen Menschen lebten, die gemeinsam mit Alexander Dubcek nach Freiheit suchten.

Prag - © Thomas Michael Glaw 2017

Prag – © Thomas Michael Glaw 2017

„Dubcek“ und „Swoboda“, Ota Sik und so manch anderer sind heute Geschichte – allerdings eine Geschichte, die die Tschechische Republik konsequent ignoriert, die im Leben der Stadt Prag nicht wahrzunehmen ist. Dieser kurze Moment, dieser Prager Frühling, verdiente ein wenig mehr Aufmerksamkeit, denn wir alle könnten daraus auch für unsere gegenwärtigen Krisen lernen. Gleiches gilt übrigens auch für den arabischen Frühling. Darf ich noch eine letzte Façade hinzufügen?

© Thomas Michael Glaw 2017

© Thomas Michael Glaw 2017

Wer weiß, worum es sich hierbei handelt, spricht entweder Tschechisch, hat sich der Mühe unterzogen, die Worte bei Google Translator einzutippen oder ist schlicht ein Genie. Ich wäre nie darauf gekommen.

 

Einstieg unter Tage

Das Ruhrgebiet – eine Legende, Vergangenheit, fast vergessen..
In den letzten Jahren waren wir mehrfach in diesem ehemaligen Industriezentrum Deutschlands unterwegs, auf den Spuren der Kohle, des Bergbaus und der Gewinnung von Eisen und Stahl.

Zeche Zollern - © 2016 Thomas Michael Glaw

Zeche Zollern – © 2016 Thomas Michael Glaw

Vorhängeschlösser – eine ganze Reihe zieren dieses Bild. Sie gehören zu den ersten Dingen, die man bei der Besichtigung der Zeche Zollern sieht: In der Waschkaue, den Räumen, in denen sich die Bergleute umzogen, bevor sie unter Tage fuhren, wurde die normale Kleidung gegen die Bergmannskluft getauscht und in Körbe gesteckt, die unter die Decke gezogen wurden. Mit dem Schloss, zu dem nur der Bergmann selbst Schlüssel besaß, wurde das Hab und Gut gesichert.
Es ist ein eigenartiges Gefühl, als Enkelin eines Bergmanns auf diese Vorhängeschlösser zu schauen: es gibt keine Spinte oder Schränke, der private Platz, der den Bergleuten damals an ihrem Platz zugeteilt wurde, beschränkt sich auf den einen Korb, so groß wie ein mittelgroßer Topf mit ein paar Haken, der Kette, an dem er hängt und das Schloss. Die Stechkarte, die in einen Kasten gesteckt wurde, zeigte, wer gerade alles tief unter der Erde arbeitete, und wessen Familien zu informieren waren, sollte es einen Zwischenfall geben. Ein einfaches, aber auch notwendiges Prinzip, betete doch jede Familie darum, dass der Ehemann und Vater nach der Schicht heil nach Hause kam. Nicht immer wurden diese Gebete erhört, es gab immer wieder Unfälle, die eine Familie vergeblich auf die Rückkehr warten ließ.
Besucht man heute diese Denkmäler der Industriekultur, kann man, trotz guter Darstellungen, Erklärungen und der Möglichkeit, viele Orte Begehen und Begreifen zu können, sich die damalige Situation nur schwer vorstellen. Heute, wo Arbeitsplätze auch gesundheitlich so sicher wie möglich sind, so dass wir es uns leisten, nicht nur den Betriebsunfall sondern alle möglichen Eventualitäten abzusichern, ist diese Angst der Menschen damals unvorstellbar.
Nein, es waren andere Zeiten. Ich lade Sie ein, sich eines der Vorhängeschlösser auszusuchen und in den nächsten Monaten auf eine Entdeckungsreise in eine fast vergessene Gegend mitzugehen, die vor den Toren meiner Heimat liegt.

Gastbeitrag von Dorothea Elsner zu unserem Jahreskalender 2016 : Nahaufnahme Ruhrgebiet – Analoge Industrie

Alhambra

Die Alhambra als Ganzes, besonders aber die Nasridenpaläste, sind ein Erlebnis, dass man sich einmal im Leben gönnen sollte. Vor die Begegnung mit diesem Kunstwerks hat allerdings die Stadt Granada den Erwerb eines Tickets gesetzt. Die meisten Reiseführer preisen die Möglichkeit des Erwerbs eines Online Tickets – keine Wartezeit, keine Schlange stehen. Prinzipiell bin ich ein großer Freund dieser Online Tickets, ob es das Musée d’Orsay in Paris, die Berliner Museumsinsel, die großen Museen in Madrid oder „dahoam“ in München das Lenbachhaus ist: schnell gebucht, zu Hause ausgedruckt, bisweilen sogar ganz einfach aufs Handy geladen. Die Stadtväter in Granada haben sich allerdings eine besondere „Methode“ ersonnen: bestellen und bezahlen kann man Ticket sehr wohl online – Schlange stehen muss man trotzdem, weil man es an einigen wenigen Automaten der örtlichen Bank „La Caixa“ ausdrucken muss. Für diesen „Service“ verlangt man dann 1,40 Euro extra pro Ticket. Bei ein paar hunderttausend Besuchern pro Jahr ist das ein hübscher Batzen Geld. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: für 1,40 bekommt man in Spanien bestenfalls ein kleines Bier und ich bin sehr dafür, Kunstdenkmäler zu erhalten, aber diese Methode ist doch ein wenig fragwürdig.

Die Gärten der Alhambra im Winter - © Thomas Michael Glaw 2016

Die Gärten der Alhambra im Winter – © Thomas Michael Glaw 2016

Nun wollen wir uns aber den angenehmeren Teilen des Besuches widmen, nämlich der Anlage selbst. Ich gehe davon aus, dass Sie alle Zugriff auf Wikipedia und diverse Kunstreiseführer haben, werde sich also nicht mit dem langweilen, was Sie sowieso überall finden können. Ein Besuch der Alhambra im Winter hat den Vorteil, dass die Besucherzahl nur einen Bruchteil der Sommerbesucher ausmacht (der Nasridenpalast war trotzdem komplett ausgebucht, wir haben fast die letzten Karten drei Wochen vorher online bekommen), die Farben des Parks sind völlig andere, die Früchte an den Bäumen leuchten anders, selbst die Steine sehen anders aus, weil sie nass sind.
Apropos nass: so sehr ich den Besuch im Winter empfehle, versuchen Sie tunlichst, einen Tag mit Dauernieselregen zu vermeiden. Wir konnten das auf Grund eines relativ engen Reiseplanes leider nicht und haben versucht, das Beste daraus zu machen.

Die Gärten der Alhambra im Winter - © Thomas Michael Glaw 2016

Die Gärten der Alhambra im Winter – © Thomas Michael Glaw 2016

Der Park ist ein wenig spanische Natur im Kleinformat, ohne etwas zu Artifizielles an sich zu haben. Klare, strenge Formen vermischen sich mit einer gewissen Wildheit. Überall fließt und sprudelt es; das Wassermanagement ist für eine Anlage dieser Größe, zumal fußend auf einer bald eintausend Jahre alten Technik, absolut faszinierend.

Nasridenpalast - © Thomas Michael Glaw 2016

Nasridenpalast – © Thomas Michael Glaw 2016

Ebenso interessant sind die „Spinnweben Gottes“ , die Wandgestaltung aus arabischen Schriftzeichen und Symbolen, die sich in ihrer Leichtigkeit durch alle Gebäude der ursprünglichen Alhambra zieht. Der Palast Karl V, den dieser spanischer Herrscher (und Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation) da mitten hineingesetzt hat, bleibt ein Fremdkörper. Schwer, massig, massiv, für die Ewigkeit gebaut. Die Konstruktionen und der Schmuck des frühen Islam wirken leicht, fast spielerisch und sind zudem aus Gips, also ganz bewusst der Veränderung, wenn nicht gar dem Verfall, preisgegeben. Wie anders war das Selbstverständnis dieser Herrscher, wenn man es mit dem Dogmatismus in den herrschenden Richtungen des Islam heute vergleicht … Die christlichen Kirchen bauen ja immer noch überwiegend für die Ewigkeit, auch wenn der derzeitige Papst wohl einen Wandel anstrebt. Ob er auch zu mehr Leichtigkeit in den Herzen führen wird?

Nasridenpalast - © Thomas Michael Glaw 2016

Nasridenpalast – © Thomas Michael Glaw 2016

Wenn man die Alhambra nach einem durchaus anstrengenden, halben Tag verlässt und die müden Füße einen (durch den Nieselregen) zurück in die Stadt tragen , nimmt man doch eine gewisse Leichtigkeit im Herzen mit. Eine Leichtigkeit, die das Gewusel der, immer noch heftig shoppenden, Bewohner der Stadt ein wenig leichter zu ertragen macht.

Paris – Köln

Nein, dies ist keine Werbung für den Thalys. Seit man mir einmal schlappe 28 Euro in einem dieser etwas heruntergekommenen Züge für die Strecke Aachen – Köln abgeknöpft hat, stehe ich mit denen auf dem Kriegsfuß.

Der letzte Teil meiner kleinen Paris Trilogie führt wieder einmal in ein Museum, dieses Mal das Musée d’Orsay, das die Architektur eines Bahnhofs mit einer interessanten Mischung spannend gehängter Bilder verbindet. Ich kann nicht verhehlen, dass ich dem alten Jeu de Paume immer noch eine Träne nachweine; irgendwie war die Stimmung dort dem neunzehnten Jahrhundert näher, als man es in dieser Mischung aus Nützlichkeitsbau und Kunst, die das Musée d’Orsay nun einmal darstellt, je wird erreichen können.

Musée d'Orsee - © Thomas Michael Glaw

Musée d’Orsee – © Thomas Michael Glaw

Es sind die kleinen Ausblicke, die in diesem Museum für den Fotografen im Allgemeinen und für mich im Besonderen, den bildnerischen Reiz ausmachen. Wer diesem Blog schon länger folgt, der weiß dass die Interaktion des Betrachters mit Kunst mich schon seit langem fasziniert. Wann immer es in einem Museum möglich ist, richte ich die Linse auf Menschen, die ein ein Kunstwerk betrachten. Ich finde diese Spannung zwischen Bildnis und Betrachter wahrlich erhellend – auch und gerade für das Kunstwerk.

Umso weniger verstehe ich Museen, die mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten das Fotografieren verbieten. Nach zwei Stunden im Musèe d’Òrsay könnte man allerdings fast zum Konvertiten werden. Niemand scheint sich mehr für die Kunst als solches zu interessieren, das einzig wichtige ist und bleibt das Foto des berühmten Kunstwerk, oder, schlimmer, das Selfie mit dem Kunstobjekt

Musée d'Orsay - © Thomas Michael Glaw

Musée d’Orsay – © Thomas Michael Glaw

In gewisser Hinsicht stumpf man ja ab: in Rom habe ich mich in den großen Kirchen an diesen Auftrieb gewöhnt. An Kirchführungen, bei denen das Auge der Betrachter im am iPad klebt. An Riesengruppen, die durch mir heilige Räume getrieben werden und mit ihren Augen nur an kleinen Bildschirmen kleben. Ich habe hier schon etliche solche Bilder gepostet.

Im Musèe d’Orsay fand ich es .. merkwürdig, schade, … mir fehlen die deutschen Worte. „Weird“ hätte ich auf Englisch geschrieben. Eine Amerikanerin asiatischer Abstammung ließ sich von Ihrem Begleiter vor jedem, vor wirklich jedem Bild van Goghs mit eingefrorenem Lächeln ablichten.

Strange world we are living in …

Wie anders war das alles Köln.
Das Museum Ludwig.
Klare moderne Räume – natürlich ist ja auch ein Museum für zeitgenössische Kunst.
Trotzdem.

Museum Ludwig, Köln - © Thomas Michael Glaw

Museum Ludwig, Köln – © Thomas Michael Glaw

Wenige Menschen.
Eigentlich schade – ich fand es trotzdem großartig.
Ich konnte frei atmen und die Kunst auch.

Faszinierend auch durch die Fenster dieses modernen Bauwerks eine Blick auf den alten Dom zu werfen. Mer losse de Dom in Kölle …

Museum Ludwig, Köln - © Thomas Michael Glaw

Museum Ludwig, Köln – © Thomas Michael Glaw

Klar wurde da auch fotografiert. Aber weniger aufdringlich. Eine Museumswärterin half einer Besucherin den Blitz ihres Handys zu deaktivieren. Alles und jede(r) hatte seinen (ihren) Platz.

Liebe. Zärtlichkeit. Lachen (nicht zu laut). Besonders aber die Kunst.

Ruhiges Fahrwasser

Ruhig und gleichmäßig fließt die Loisach dahin, nur die kleine Landzunge sorgt für leichte Wellen, die flach über das Wasser gleiten. Nach den Stromschnellen, kleinen Wasserfällen an Engpässen des Flusses weitet sich das Flussbett und biete ein Bild der Entspannung.

Loisach - © Thomas Michael Glaw

Loisach – © Thomas Michael Glaw

Nach einer turbulenten Arbeitswoche, dem Abschluss eines Projekts, das in der Endphase noch einmal richtig hektisch wurde, zieht es mich an solche Orte, an denen ich abschalten, zur Ruhe kommen und durchatmen kann. Auch im Alltag ist es gut, wenn nach einer lebhaften Zeit Ruhe einkehrt, nach Tagen mit vielen Terminen und Besuchen der Kalender leer ist.
Wenn ich die Menschen um mich herum betrachte, scheint es diejenigen zu geben, die gerade vor der Stille, dem zur Ruhe kommen, zu fliehen scheinen. Es scheint für sie nicht vorstellbar zu sein, zu schweigen, nicht oder allein unterwegs zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen. Neben der realen Welt bietet auch die digitale vielfältige Möglichkeiten der Flucht vor sich selbst und dem allein sein. Im stetigen „sich neu Erfinden“ verlieren sie jedoch die Orientierung und sich selbst.
Für andere Menschen hingegen scheint die Ruhe, das ruhige Fahrwasser das zu sein, wonach sie streben. Sie bleiben am liebsten im vertrauten Kreis, planen lange im Voraus und tun sich schwer, wenn sich etwas ändern, sie gezwungen sind, sich auf andere und auf Neues einzulassen. Spontanität bedeutet für sie Anstrengung und Unsicherheit. Ihr Lebensmittelpunkt ist das eigene Leben und das der Menschen um sie herum, eine Welt, die immer kleiner zu werden scheint.
Im ruhigen Fahrwasser unterwegs sein, bekannte Wege gehen, nichts Spektakuläres tun sondern einfach auf einer Bank die Sonne genießen, ein Buch zu lesen oder den Gedanken freien Lauf zu lassen, keine Diskussionen zu führen, sondern sich darauf verlassen, dass der andere mich versteht, ich sein kann, wie ich bin, ist sehr erholsam.

Ich brauche jedoch nach einer Weile auch wieder ein paar Stromschnellen.

Gastbeitrag von Dorothea Elsner zum Blatt September unseres Jahreskalenders 2015