Eine Antwort auf Tanja Drückers in ZEIT Online vom 24.6.2016
Es war der letzte Satz dieses Beitrags in der Zeit, der mich zu diesen Zeilen bewog.
„Politik darf nicht am Stammtisch entschieden werden.“
Das ist ein Klischee, das in der gegenwärtigen politischen Debatte in Deutschland gerne bedient wird.
Die Leute am Stammtisch sind blöd.
Ich hingegen glaube, die Menschen, die in den Pubs, Beisln, Tavernen und Stammtischen dieser Welt verkehren, haben möglicherweise ein klareres Bild ihrer Lebenswirklichkeit, als viele Politiker oder Kommentatoren. Das macht sie nicht weniger anfällig für die verführerischen Töne machtgieriger Parvenüs, ob sie nun Johnson, Kaczynski, Orbat oder Iglesias heißen.
Diese Menschen sehen, dass unsere Gesellschaft sie mit einem müden Lächeln zurück lässt. Sie sehen, dass das „Internet of Things“, das die Eliten in den Himmel loben, ihnen nichts bringt. Sie sehen, dass sie seit mehr als zehn Jahren kaum einen Euro mehr als Netto vom Brutto haben.
Und wir zeigen mit dem Finger auf sie, halten sie für ungebildet und leicht verführbar.
Drehen wir doch die Frage einmal um:
Was haben wir getan, um sie zu bilden?
Fordern und fördern ist, zumindest hier in Bayern, grandios gescheitert. Unsere Schulen füllen noch immer leere Eimer, anstelle ein Feuer zu entfachen, unsere Universitäten (und viele Einrichtungen, die diesen Titel, weiß Gott, nicht verdienen) jagen jungen Menschen durch fragwürdige Curricula, ohne ihnen Denken und soziale Kompetenz beizubringen.
Ich gebe gerne zu, lange ein Fan von Gerhard Schröders „Agenda 2010“ gewesen zu sein. Langsam aber glaube auch ich, dass wir wesentliche Teile unserer Gesellschaft damit im Regen haben stehen lassen. Da hilft auch kein Lamentieren über Bildungsunwilligkeit. Es ist die Aufgabe der besser gestellten, der besser gebildeten, sich derer anzunehmen und sie auf ein Niveau zu führen, in dem sie informierter am politischen Willensbildungsprozess teilnehmen können.
Wenn es uns, als Gesellschaft, nicht gelingt, diese Mitmenschen, diese Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, so dass sie die Ziele eines friedlichen, gemeinsamen Europas zu ihren Zielen zu machen, sehe ich diesen Kontinent am Ende. Das, was uns in den letzten Jahren verbunden hat, waren die Ziele der Aufklärung, die Furcht vor einem weiteren, vielleicht endgültigen Krieg und der Glaube an das Gute im Menschen.
Viele, die jetzt eine Führungsrolle anstreben, sind berauscht vom Gedanken an persönliche Macht, vernarrt darin, andere Menschen zu führen, egal wohin, und vor allem möchten sie ihren eigenen Beutel füllen.
Wenn wir diejenigen, die den bei weitem größten Teil unserer Gesellschaft ausmachen, weiterhin herabsetzen, an Stelle ihnen auch in der Welt des 21. Jahrhunderts Möglichkeiten zu eröffnen, die ihr Leben wieder lebenswert erscheinen lassen, wird uns diese friedliche Union um die Ohren fliegen. Auch wenn das heute fast vergessen erscheint: das oberste Ziel der Römischen Verträge von 1957 war der Erhalt des Friedens. Ich glaube, wir waren in den vergangenen 30 Jahren nie so kurz davor, ihn hier in Europa wieder zu verlieren. Diese Union hat entschlossene, wenn auch selbstverliebte, Gegner. Wir müssen uns ihnen stellen.
Das begleitende Bild ist bewusst gewählt. Mir persönlich bietet Schottland immer wieder einen Rückzugsraum. Einen Platz zum Nachdenken, zum Runterkommen. Vielleicht zeigt sich das ja auch in den Menschen, die dort leben und in ihrer überwiegenden Mehrheit für den Verbleib in der Union gestimmt haben.