Gleichzeitig – März

Gastbeitrag von Dorothea Elsner

Washington D.C.
Im Tunnel einer U-Bahnstation.

Washington Subway

Washington Subway


Ein einzelner junger Mann schaut gebannt auf sein Handy, während er auf die U-Bahn wartet. Mit Ausnahme der Leere der Station ein nahezu alltägliches Bild: Während des Wartens, Essens, dem Kaffeetrinken oder auch allen anderen Tätigkeiten sind wir Dank moderner Technik zunehmend an mehreren Orten gleichzeitig:

Der mp3-Player ersetzt die Umgebungsgeräusche gegen den Lieblingstrack, während wir mit dem Handy gleichzeitig schnell noch die letzten Mails checken, uns per Facebook mit einem Morgengruß in der Community zurückmelden, aktuelle Infos oder Belanglosigkeiten per WhatsApp an die Freunde in aller Welt posten. Immer erreichbar, immer informiert, rund um die Uhr vernetzt.

Manchmal zieht mich die virtuelle Welt so in Ihren Bann, dass ich von der realen Welt kaum noch etwas mitbekomme.

Aber wo bin ich eigentlich wirklich? Nehme ich mich selbst noch wahr, wenn ich gleichzeitig an verschiedenen Orten bin, immer verfügbar, virtuell sichtbar für alle?
Kann ich mich noch auf das Hier konzentrieren und ganz da sein?

Bei den Vortreffen zu diversen Bildungswochen stellten die Jugendlichen oft die Frage nach dem Handyempfang im Bildungshaus. Aufgrund der umliegenden Berge war dieser bis vor ein paar Jahren nahezu Null. „Gut, dann bin ich endlich mal nicht erreichbar“ war daraufhin die Reaktion vieler Jugendlicher.

Mal wirklich nur dort zu sein, wo man auch physikalisch gerade ist,
sich ganz auf die Situation und sein Gegenüber einlassen zu können,
sich bei einem Gespräch persönlich in die Augen zu schauen und auch schwierige Situationen miteinander zu meistern,
mal abschalten zu können
und sich selbst wieder wahrzunehmen.

Eine selten gewordene Erfahrung, die manchmal erst dadurch möglich wird, dass die Technik versagt.

Bei einem genaueren Blick auf das Bild entdecke ich eine junge Frau, die den Bahnsteig herunter läuft – vielleicht wartete der junge Mann ja auch gar nicht auf die U-Bahn.
🙂

Dorothea Elsner kommentiert in ihren monatlichen Beiträgen die Blätter unseres gemeinsamen Jahreskalenders „Stadtmomente“ 2014. Den vollständigen Kalender finden Sie unter http://www.thomasmichaelglaw.com

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..